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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Begräbnis. Ermahnungen bringen ihn erst richtig in Form.
    Zu 2. Der unentschlossene Wühler ist eigentlich auf Diät und hat sich nur Popcorn gekauft, weil es eben dazugehört. Manchmal legt er die Handvoll Popcorn, die er eben liebevoll zusammengegrabbelt hat, selbstvergessen wieder zurück in den Eimer. Und dann geht das Theater von vorn los.
    Zu 3. Der vorsichtige Wühler ist ein Schleimer und Opportunist. Er tut so, als wollte er auf diese Weise seine Mitmenschen am wenigsten belästigen. Er wartet auf Schießereien oder andere Geräuschkulissen, bis er sich traut. Er dreht und wendet beim Wühlen den Kopf, nickt entschuldigend nach allen Seiten, bietet, wenn’s hochkommt, sogar dem Nachbarn etwas an, aber gerade dadurch kommt es zu einer für alle Beteiligten quälenden Verzögerung. Ein wütender Blick bringt ihn fünf bis zehn Minuten zum Schweigen.
    Eines Tages werde ich dabei sein, wenn sich ein Popcornfresser furchtbar verschluckt. Ein Korn, etwa vom Popvolumen eines Ziegenkötels, ist in seiner Luftröhre stecken geblieben. Ich lasse ihn erst eine Weile röcheln, bahne mir dann einen Weg und behaupte glaubhaft, ich sei Ärztin. Und dann mache ich mit meiner Nagelschere einen prima Luftröhrenschnitt und schneide dabei im Eifer des Gefechts seine Stimmbänder durch.

14. Mitsubishi
    »Wie sehe ich aus?«, frage ich und drehe mich in dem neuen Kostüm von Plein Sud, aber Robert ist für solche Fragen der falsche Partner.
    »Man wird bescheiden!«, sagt er mit vollem Mund, ohne aufzusehen.
    Robert ist vollkommen betriebsblind. Es könnte ein Toter in meiner Wohnung liegen, mitten im Weg, und er sähe es nicht. Ich könnte splitternackt vor ihm stehen und Robert würde es nicht bemerken. Einmal trug ich, weil’s bei Robert sowieso egal ist, eine dieser neongelben Kühlbrillen. Er sah mich an und nahm es nicht mal wahr.
    Es gibt nur eine Art von Frauen, bei deren Anblick er in Verzückung gerät: Frauen, die längst tot und verwest sind, Filmstars, große Diven von gestern. Ob diese Leidenschaft Ursache für Roberts Keuschheit oder eher deren Folge ist, wurde mir nie ganz klar.
    Er besucht alte Filme so andächtig, als seien sie Tempel. Das Kinoereignis eröffnet er mit rituellen Handlungen: Er nimmt seine Brille ab und massiert sich mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand die Nasenwurzel. Dann putzt er die Brille mit einem Putztuch, dessen Zitronenaroma ihn feierlich, mich aggressiv stimmt. Exakt mit Filmbeginn lässt Robert den Startknopf der Stoppuhr los. Aus der jeweiligen Länge der Fassung berechnet er aufwendig, wie schnell der Film lief und ob alle Einstellungen in Originallänge drin sind. Jeder Film kriegt eine Bewertung, die handschriftlich in einen vergilbten A4-Block aus Roberts Schulzeit eingetragen wird. Das beste sind 100 Punkte, das schlechteste ist ein Hakenkreuz.
    Robert liebt Listen. Er betreibt diesen Sport todernst.Wöchentlich diktiert er mir ein Update seiner All Time Favourites in den Computer. Es handelt sich um die zehn Filme, die er mit auf eine Insel nehmen würde. In seiner Auswahl
(Panzerkreuzer Potemkin; Iwan der Schreckliche; Citizen Kane)
ist er wie in allem wenig originell.
    Auch die »Protagonistin als solche« wird schonungslos katalogisiert. Robert unterscheidet drei Typen. Am geringsten schätzt er die Giraffe. Marlene Dietrich war eine. Schon interessanter ist die Antilope, zum Beispiel Ava Gardner oder Rita Hayworth. Aber sein persönlicher Lieblingstyp ist die Gazelle. Er weiß genau, wann Hitchcock Grace Kelly die »Phantasien eines Mannes anheizen lässt wie keine andere«, in
Fenster zum Hof
nämlich. Er findet nichts erotischer, als wenn Lauren Bacall in
Tote schlafen fest
mit dem entsprechenden Augenaufschlag sagt: »Es hängt viel davon ab, wer im Sattel sitzt!« Veronica Lake, schwärmt er, sei die »zauberhafte Miniatur einer Frau« gewesen, »kein Gramm Fett zu viel«! Und Gene Tierney
(Laura),
seine aktuelle Königin, nennt er anerkennend eine »Mischung aus Fleisch gewordener Poesie und 100.000-Dollar-Nutte«.
    Wenn Robert von etwas felsenfest überzeugt ist, dann davon, in die falsche Zeit hineingeboren zu sein. Über heutige Schönheiten wie Claudia Schiffer, Heidi Klum und Verona Feldbusch (allesamt Giraffen!) kann er »nur noch den Kopf schütteln«. Stattdessen gerät er spürbar in Erregung, wenn auf Zelluloid ein Mieder eng geschnürt wird oder ein Unterrock aus Taft raschelt. Er spricht kein Wort Englisch, aber er kennt die Filme in- und

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