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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Andererseits konfrontiert er mich auf diese Weise nicht mit seinem Namen.
    »Guten Tag«, sage ich, und mir schießt durch den Kopf, dass ich mir gar nichts zurechtgelegt habe. »Sie haben mir neulich Ihre Nummer gegeben«, sage ich. Dann fällt mir nichts mehr ein. Aber das ist eigentlich auch alles, was ich sagen muss. Jetzt ist er am Zug. Er hat mir die Nummer gegeben. Ich habe angerufen. Nun ist er dran.
    Er sagt: »Ich weiß.« Leichthin. Ich weiß. Und dann: »Wie heißen Sie?«
    Ich antworte, einer Eingebung folgend: »Wie möchten Sie, dass ich heiße?«
    Und er sagt: »Eugénie. Und ich bin Valmont.« Das Schweigen, welches sich anschließt, ist vollkommen unangestrengt.
    Eugénie. Valmont. So ’n Quatsch! Und doch! Es hat was! Dann steckt Fred den Kopf herein, klopft mahnend auf die Armbanduhr, die er nicht hat, und mir fällt ein, dass ich eine Konferenz einberufen und um absolute Pünktlichkeit gebeten habe. Ich winke Fred böse hinaus. Diesen taktlosen Gecken, der nicht einmal anklopft, werde ich ins KaDeWe schicken. Dort soll er mir gefälligst eine Kiwi kaufen. Und zwei Braeburn-Äpfel. Und wehe, er ist nicht in einer halben Stunde zurück! Und wehe, die Kiwi ist zu weich! Oder zu hart! Und wehe, die Äpfel sind nicht schmal und asymmetrisch, sondern kurz und breit. Die kurzen breiten Braeburns sind mehlig. Weiß doch jeder!
    »Ich melde mich wieder«, sage ich eine Spur zu geschäftsmäßig ins Telefon. Und Valmont sagt nichts als »Gut«.

19. Mein zweiter Vorname ist Edelmut
    Fernsehen macht die Dummen dümmer und die Klugen klüger. Vor allem die dritten Programme. Vorhin erst habe ich gelernt, dass die Saatkrähe im Unterschied zur Nebelkrähe zerzauste Hosen, einen nackten Schnabelansatz und erzfarbenes Gefieder hat. Dann musste ich dringend wegzappen. Aber nicht aus Langeweile. Zapping ist ganz und gar nicht Ausdruck von Langeweile.
    Zapping ist Sucht nach Abwechslung, Angst, etwas zu verpassen. Ich gucke auch gern verschlüsselt Premiere. Decoder kaufen ist unsportlich. Aber verschlüsselt gucken hat etwas Surreales. Man kann alles Nötige erkennen. Nur eine Frage der Übung. Mein Fernseher läuft eigentlich immer. Es ist unmöglich, sich dieser Bilderflut zu entziehen. Hitler hatte nur ein Ei – das erklärt vieles. Queen Mum (98) hat ihr Konto um 12 Millionen überzogen – das macht Mut. Alfred Biolek sitzt auf seinem Leichtbaustuhl, als hätte er Liebeskugeln im Arsch. Man steckt nicht drin.
    Besonders zahlreich vertreten sind Jungmoderatoren, die entgeistert die Augen aufreißen, wenn sie von einem »Tja« auf ihrem Teleprompter überrascht werden! Noch einmal »Hallo und herzlich willkommen«, und ich pisse gegen den Bildschirm! Noch einmal »Die Idylle trügt« oder »Man darf gespannt sein«, und ich zerhacke die blöde Glotze! Wann wird der Mensch zur Bestie? Und wie bezwingt er seine Raserei? Wie sieht ein Moderator aus, wenn alle fünf bis sieben Liter Blut aus ihm rausgelaufen sind? Eine Süßigkeiten-Werbung von der Konkurrenz fasst mein Elend in Worte: »Wann geben Sie sich die Kugel?« Ich lade meine Walther PPK durch und schieße mitten in ein Close-up von Roger Willemsen. Esblitzt und kracht und knallt, und erwartungsgemäß ist mein 3000-Mark-Breitbild-Fernseher hinüber, während Willemsen lebt. Die Welt ist ungerecht!
    Ich muss hier raus! Raus an die Luft! Atmen! Menschen sehen! Das Leben spüren! Aber am Potsdamer Platz gibt es kein Leben. Zum Potsdamer Platz bin ich nur gezogen, weil ich in BILD las, dass die Wohnungen dort unerschwinglich seien. Das hat mich herausgefordert. Außerdem hoffte ich auf eine Art natürlicher Auslese. Eine Hoffnung, die durch den Zuzug von Maik und Mändy restlos zunichtegemacht wurde. Kaffeemaschine aus? Tür abgeschlossen? Alarmanlage an? Handy eingesteckt?
Bärbel
programmiert? Draußen schnappe ich mir ein Taxi und fahre zum Kudamm. Der Taxifahrer trägt ein lächerliches Filzhütchen mit schmaler Krempe. »Mönsch«, sagt Filzhut munter und dreht sich beim Fahren um. »Sach nix! Wir kenn uns! Ich komm gleich drauf! Warte!« Ich trommele schweigend auf den Ledersitz. »Jetzt weiß ich«, sagt er und haut sich auf die Stirn. »Senta Berger! Die schnelle Gerdi! Det war ’n juta Film!« Ich korrigiere ihn auf Rosa Roth und Iris Berben, wennschon, dennschon, und gebe ein Autogramm. Zum Schluss biete ich ihm meine Telefonnummer, wenn er in einer halsbrecherischen, verkehrswidrigen Aktion auf der anderen Straßenseite einparkt. Er sagt, er

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