Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
immer: »Würdest du denn sagen, dass du politisch rechts bist?«
Weiter! Auf SAT. 1 läuft der Film
Verkaufte Unschuld – der Killer vom Kinderstrich
. Weiter.
Es ist fast drei Uhr. Werbung für den Lifta-Treppenlift. Ich rufe die eingeblendete Nummer an und bestelle mir einen. RTL2 bringt Sexspots. Die Frau mit Peitsche ist ungehalten: »Jetzt! Erst! Recht! Gna! Den! Los! Ruf!Mich! An!« Eine Blondine räkelt sich und flüstert verheißungsvoll: »Die heißeste Nummer Deutschlands für 81 Pfennig. Null. Hundertneunzig. Sechs mal die sechs.« Von dieser Sorte gibt es mehrere Varianten: zweistimmig gestöhnt, gesungen, geflüstert, a cappella oder mit Orchester, mit Reim und ohne, als Hip-Hop oder Choral. Ich mag sie alle. Ein knallroter Frauenmund, groß. Eine monströse Zunge leckt einmal rundrum. Und, leicht gestöhnt, aus dem Off: »Endlich ist es so weit! Härter Heißer Hustler!« Zwei Mädels mit Hang zur Teilblondierung sitzen in der Wanne: »Flotter Dreier mit zwei heißen Girls. Wir warten auf dich! Wir sind schon ganz feucht!« Kunststück. Dann kommt mein aktueller Favorit. Ein männlicher Sprecher setzt Akzente:
»
Total
versaute Girls warten auf
deinen
Anruf!« Dazu hopst eine Frau im Takt auf und ab. Man sieht aber nur ihren Torso, vor allem die Brüste, Riesendinger. Die sind so prall mit Silikon gestopft, dass sie durch die Hüpferei nicht mal erschüttert werden, aber jeden Moment abfallen könnten wie reife Kokosnüsse. Gnade dem, der die abkriegt! Danach leckt eine Alkoholikerin an einem Schuh mit Pfennigabsatz, obwohl sie lieber schnurstracks zum Friseur gehen sollte. Sie ist, wie mir der Mann aus dem Off verspricht, eine »Frau über 40, die keine Grenzen kennt«, was ich mir im Detail ziemlich eklig vorstelle. Im folgenden Spot zerreißt eine Frau schweigend ihr schwarzes Shirt, aber man sieht nicht die Titten, weil im selben Moment raffinierterweise die Telefonnummer eingeblendet wird. Eine Mädchenstimme schreit verzweifelt: »Ich bin so geil!!! Ruf mich an!!« Auch die Nummer trägt sie gestöhnt vor, schneller werdend, mit einem kleinen irren Zwitschern: »Nullnullfünf. Neun!!! Neun!!! Zwozwozwo. Neun!!! Mach schon!!!« Eine andere versprichtglaubhaft, dass sie es mir bis zur Ohnmacht besorgt.
Ich probiere den phosphoreszierenden Vibrator von Sarah Young aus, aber der brummt wie eine Kaffeemühle. Also reiße ich hastig alle Quittungen vom Zettelpiker und suche die geheimnisvolle Telefonnummer. Wähle sie, verwähle mich zweimal, komme schließlich durch, aber es nimmt keiner ab.
18. Samba in der Pluderhose
Wie alle Idioten legt Fred größten Wert auf Kultur und Niveau. Seit unserer
FAZ
-Kampagne »Dahinter steckt immer ein kluger Kopf« liest er täglich die
FAZ
(Fazz, wie er es ausspricht), mit leicht gequältem Gesicht, aber tapfer. Heute habe ich ihn durch meine Anwesenheit ins fensterlose Vorzimmer verbannt.
Von oben betrachtet sieht die Welt ein wenig anders aus. Der Fernsehturm ist insgesamt 365 Meter hoch. Das Restaurant befindet sich in der Kugel auf zirka 240 Meter Höhe, darunter die Aussichtsplattform und direkt unter der Plattform, auf 225 Meter Höhe, meine Firma. Innerhalb einer Stunde rotiert die ganze Stadt um die Kugel herum. Währenddessen zähle ich ameisengroße Menschen und käfergroße Autos, verzähle mich aber immer wieder, drehe mich schließlich gähnend auf dem Lederdrehsessel und schalte den Fernseher ein. Auf RTL2 läuft die Wiederholung von
Pretty Woman
. An der Wand hängen unsere letzten Printkampagnen. Eine nationale: »Mobilcom: Wir sind der Telefon-Aldi.« Und eine internationale für ein Internet-Suchsystem: »Do you Yahoo?« Daneben hängt ein auf Plakatgröße gezogenesVideoprint eines fetten glatzköpfigen Mannes in orientalischen Kleidern. Im Anschluss an die Aids-Gala, inspiriert von meinem eigenen Märchen aus 1001 Nacht, habe ich eine ziemlich geniale Idee für den neuen Axe-Spot gehabt. Noch in derselben Nacht rotzte ich den Papier-Piloten runter. Auch das Casting überwachte ich persönlich, ebenso die Motivsuche und die Dreharbeiten. Ein Jahr lang lief der Spot mit gigantischem Wiedererkennungseffekt im Fernsehen: Ein Eunuch betritt den Harem. Mit piepsiger Stimme grüßt er nach links und rechts: Salam! Die Haremsdamen grüßen zurück. Dann geht er in die Dusche, zieht die spitzen Schuhe aus, lässt die Pluderhosen fallen und stellt sich unter den Schauer. Er greift nach dem Axe-Duschbad und seift sich ein, auch im Schritt.
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