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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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hockt vor ihr am Fußende, mit nacktem Oberkörper. »Tja«, sagt er und guckt frech. »… aber trotzdem
kinsterknister
mal gesetzt den Fall
knisterknister
kannste mich denn überhaupt ernähren?«
    Das reicht! Ich krieg keine Luft mehr. Der Frontallappen im Gehirn ist für die Hemmung verantwortlich. Wenn er nicht arbeitet, reagiert man auf jeden Reiz automatisch überempfindlich. Meiner arbeitet grade nicht. Ich greife nach meiner Walther, die inzwischen auf meinem Schoß liegt wie ein Meerschwein. Ich beuge mich langsam vor und lege die kühle Mündung an die Schläfe dieses verfickten, glubschäugigen Knisterers. »Okay, Cowboy«, flüstere ich. »Gib mal gaaanz vorsichtig die Tüte! Aber hoppi galoppi!« Er erstarrt, dreht sich nicht um und reicht über die Schulter die Tüte nach hinten. Ich nehme sie und stecke sie in einer Bewegung Ernie ins breite Maul. Der Typ mit dem Bürzel ist vor Schreck auf Normalmaß geschrumpft.
    Bis zum Ende des Films bleibt es rings um uns still. »Das wird böse enden«, sagt Dietrich. Draußen machen wir High Five. Auch was, was Broiler nie lernen werden! Die können das nicht. Die begreifen nicht, was das soll! Da steckt ja eine ganze Philosophie dahinter. Das ist cool, Verstehen ohne Worte, international ein Zeichen höchster Anerkennung – außer im Broiler-Land. Die Biester kapieren es einfach nicht! Entweder sie halten dieerhobene Hand des anderen für eine Art Winken und winken blöd zurück. Oder sie haun drauf und treffen nicht. Oder sie treffen, aber es macht kein Geräusch. Oder sie greifen die erhobene Hand des anderen und schütteln sie fröhlich – eine unüberwindliche kulturelle Barriere!

21. Wie krank ist Saddam?
    Dietrich sagte gestern nach dem Kino, ich hätte die soziale Kompetenz eines Stuhlbeins. So what! Ich weiß nicht, was sozial ist. Ich weiß nicht mal, was normal ist.
    Manchmal denke ich, ich bin die einzige Normale in einer Welt voller Verrückter – alles eine Standortfrage. Im Grunde bin ich der Fleisch gewordene Triumph der Hochkultur über die Massenkultur. Zeit ist Geld. Und ich habe glücklicherweise von beidem reichlich. Gibt es etwas Schöneres, als morgens spontan zu entscheiden, ob man einfach im Bett bleibt, fernsieht und sich einen runterholt? Heute geht das nicht. Heute hat der Kauf eines neuen Fernsehers höchste Priorität. Dietrich sagt, ich bin ein seelenamputierter Konsumkrüppel. Er hat recht, und das ist auch gut so.
    Unangenehme Begleiterscheinung des Fernseherkaufs: Ich muss mich ins Getümmel stürzen. Ich nehme drei Aspirin und drei Valium. Getümmel. Gewimmel. Gekringel. Am liebsten würde ich rings um mich Schilder aufstellen, wie man sie vor Bankschaltern findet: Bitte hier warten – Diskretionszone. Soll ja keiner nah an mich ran, zwei mal zwei Meter Minimum. Diese träge, übelriechende Menschensuppe am Kudamm! Woher zum Teufel kommen die alle, und warum gehen die nicht wiederdahin zurück? Der größte Arsch im ganzen Land, das ist und bleibt doch der Passant!
    Buñuel liebte das Schießen, vor allem das Zufallsschießen. Irgendwo langlaufen, sich dann umdrehen und losballern. In Mexiko soll das keine Besonderheit sein. Dort wird einer schon erschossen, wenn er zu viel fragt. Oder zu langsam läuft. Oder scheiße aussieht. Sagt Buñuel.
    Da sowieso die meisten Menschen auf meiner Abschussliste stehen, gefiele mir das Prinzip des Zufallsschießens ganz besonders gut. Man trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit einen, der es ohnehin verdient hat. Der Mensch in der Masse mutiert vom Individuum zum Weichziel. Für ein Weichziel sollte man Man-Stop-Munition benutzen. Man-Stop-Munition pilzt im Weichziel auf. Und man sollte – aber das ist eine persönliche Vorliebe – immer auf den Hals zielen. Nicht ins Hirn. Nicht ins Herz.
    Vorsicht! Rücksicht! Umsicht! Nichts für mich! Vor allem die Schlenderer sind mir ein Dorn im Auge. Ich kann mich mit ihrem Laufrhythmus einfach nicht anfreunden. Sie gehen irgendwie mit Drall nach hinten, pendeln dabei zur Seite, so dass keiner durchkommt. Urplötzlich scheren sie aus, schwenken ab zu einem Schaufenster, nesteln an ihrer Kamera oder breiten einen Stadtplan mitten auf dem Bürgersteig aus. Sie stehen auf der Rolltreppe nebeneinander und bauen im Supermarkt Barrikaden aus Einkaufskörben. Schlimm ist auch, wenn ein Eiliger hinter mir läuft und mich praktisch schiebt, anstatt sich meinem Rhythmus anzupassen, der durchaus zügig genug ist. Ich drossele dann sofort mein Tempo. Bei

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