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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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eher widerstrebend seinen Platz auf dem Stuhl gegen einen Platz auf der äußersten Bettkante ein. Dort sitzt er nun, den Aftermuskel aufmerksam gespannt, wie ’n Affe auf’mSchleifstein. Dietrich formt mit den Lippen hinter Roberts Rücken die Worte »latent homophob«. Dann wirft er die Schuhe von sich und fläzt sich mit aufgestütztem Kopf schräg aufs Bett. Ich stehe noch, weil ich ja der Videomeister bin. Was sind wir nur für ein Trio! Dietrich lasterhaft, ich lebenssatt, Robert weltfern wie ein Eremit. Uns verbindet keine Freundschaft. Kumpanei vielleicht, Komplizenschaft, entfernte geistige Verwandtschaft, eine gewisse Illusionslosigkeit und natürlich jede Menge Neurosen. Gemeinsam irrlichtern wir der Hölle entgegen.
    »Was kucken wir denn nun, Jungs?«
    »
Sans Soleil
von Chris Marker«, sagt Robert, der eine glatte Eins verdient hat in Wirbelsäulenstreckhaltung.
    »Nö! Nich so ’n intellektuellen Scheiß! Lieber was Lustiges! Was Subversives!
Mann beißt Hund
«, sagt Dietrich. Roberts Heiratswunsch hat mich auf eine Idee gebracht. Ich reiße drei gelbe Post-it-Zettel vom Block, schreibe auf jeden dasselbe und falte sie.
    »Am besten, wir losen! Dietrich zieht.«
    »Und du, was macht die Liebe?«, fragt Dietrich und nimmt ein Los.
    »Du immer mit deiner Liebe!«
    »Hm. Dann frag ich anders: Wie läuft deine kleine Brutalburleske?«
    Ich bereue, ihm jemals von Valmont erzählt zu haben, und hülle mich demonstrativ in Schweigen. Robert summt. Ich habe eine Melodie im Kopf und pfeife gegen Roberts Summen an.
    »Man erkennt dich nicht wieder«, sagt Dietrich. »Du sprichst nicht über deinen Lover, gehst mit dem Handy aufs Klo und pfeifst munter einen Trauermarsch nach dem anderen.«
    »Und du? Wie läuft’s mit Ulla?«
    »Bestens. Wir sind ein Herz und eine Seele. Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Leider jobbt sie ziemlich viel. Montags nacktputzen, dienstags babysitten, mittwochs verkauft sie Tennissocken vorm Wertheim, donnerstags Taxifahren, freitags Tabledance …«
    »Hauptsache, kein Bratkartoffelverhältnis!«
    »Nasagmal! Hör ich da Häme?«
    »Worum geht’s?«, fragt Robert, der eben aus seinem komatösen Dämmerzustand erwacht.
    Dietrich kriegt Gesicht süßsauer. »Paprika sagt grade, wenn du arbeitslos wirst, dann kannst du immer noch mit deiner Frisur in Serie gehen.«
    Ich mache das Time-out-Zeichen.
    »Was is?«, sagt Robert und schüttelt den Kopf. »Du liebe Güte! Mit so ’m Humor kann ich nix anfangen!«
    »Robert, wenn du nicht über dich selbst lachen kannst, dann könnte dir der Witz des Jahrhunderts entgehen!«, sagt Dietrich. Robert stiert vor sich hin. »Haha.«
    Dietrich starrt verwundert auf den Zettel: »Hä? Schütähm? Wer mit wäm?«
    »Hör mal, das ist Kult!«, sage ich. »Eine Partnerschaftssendung. Ausländisches Fernsehen, genauer: Mitteldeutscher Rundfunk. Situationskomik, Realsatire, Fremdschämen, alles auf Sächsisch!«
    »Gütiger Himmel!«, stöhnt Dietrich. »Nur Broiler-Frauen?«
    »Ja. Und was für welche! Vielleicht ist ja eine für Robert dabei.«
    »Und eine für mich!«, quengelt Dietrich. »Oder wollen wir lieber Muschis kucken im Internet?«
    Ich bleibe hart. »Nein. Das Los hat entschieden!« Dietrich sagt: »Na denn! Ich gebe die anachronistische Verweigerungsattitüde auf die marginalen Anforderungendes medialen Alltags auf. Ich kucke MDR!« Und Robert macht sein kurzes Hm.
    Ich lege die Kassette ein und dimme das Licht. Erst läuft »Love is in the air« in einer poppigen ostdeutschen Synthesizer-Version vor einer Himmelsgrafik, auf der sich aus rotem Geschenkband Herzen bilden. Dann tritt der Moderator auf, der einen alten Nasenbeinbruch, eine noch ältere Karies und ein Faible für sinnige Reime hat: Im Alter allein/so soll’s nicht mehr sein! Seine erste Kandidatin ist Roswitha (41), Sekretärin aus Meißen. Sie entpuppt sich als lebenslustige Fische-Frau, die einen Mann sucht, der mit beiden Beinen irgendwo steht. Sie selbst steht, ihrer Frisur nach zu urteilen, mit einem Bein im Gefängnis. Ein Gläschen in Ehren darf niemand verwehren, und »Sinn für alles Schöne« muss er haben. Roswitha möchte mit ihm »Freizeitgestaltung machen«, droht sogar mit einem gemütlichen Abend zu zweit. »Sou, meine Härren«, liest Roswitha vom Prompter, »neugierig?« Robert schüttelt verbiestert den Kopf. Dietrich kichert in mein Nutellaglas.
    Jetzt kommt Mirko (29), Kraftfahrer aus Sömmerda. Der war Mr. FKK 1988 und will eine Partnerin, die

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