Rufmord
Hilflosigkeit in sich aufsteigen. Er stand nun ebenfalls auf, ging auf die Psychologin zu und legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Ich ... ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll. Ich war mir sicher ... ich war mir hundertprozentig sicher, dass Sie es waren, die Mr Anderson angerufen haben. Eine solche Reaktion habe ich nicht erwartet. Ich habe mich wohl getäuscht.« Er atmete tief aus. »Aber wenn Sie es nicht waren, bin ich am Ende meiner Weisheit.«
»Es ist besser, wenn du jetzt gehst.« Sie wischte sich eine Träne von der Wange, drehte sich um und griff nach dem Feuerzeug und der Zigarettenschachtel auf dem Tisch. »Ich werde Schwester Whitney mitteilen, dass sie dich nicht mehr zu mir lassen soll. Das ist für mich und auch für dich das Beste. Ich muss mich jetzt um die Radieschen kümmern. Ich denke, dass du den Weg allein zurückfindest.« Sie reichte ihm zum Abschied die Hand. »Also, mach’s gut.«
Bob fühlte sich wie ein begossener Pudel. Er stand in der Mitte des Pavillons und blickte Mrs Franklin fassungslos nach. Dann verließ er den Pavillon. Schwester Whitney kam ihm schon entgegen.
»Das war aber ein kurzer Besuch«, stellte sie staunend fest.
»Wie man’s nimmt«, entgegnete Bob trocken. »Ich glaube, man wird mich hier in ›Best Hope‹ nicht noch einmal sehen.«
»Dann führe ich Sie jetzt hinaus.«
»Danke, nicht nötig. Ich finde den Weg schon allein.« Er verabschiedete sich schnell von der verdutzten Schwester und steuerte auf die Glastür zu. Als Bob den Flur betrat, stieg ihm wieder der scharfe Chemiegeruch in die Nase und bewirkte, dass er plötzlich die Klinik auf dem schnellsten Wege verlassen wollte. Wahrscheinlich hatten sich die Patienten und Mitarbeiter längst an diesen Geruch gewöhnt, anders konnte er es sich nicht erklären, wie es sich hier aushalten ließ.
Während Bob den Flur entlanglief, kreisten seine Gedanken nur um eine Sache: Sein Besuch in ›Best Hope‹ hatte nicht das Geringste gebracht. Mehr noch: Er fühlte sich beinahe schuldig, Mrs Franklin mit seiner argwöhnischen Vermutung so unsensibel vor den Kopf gestoßen zu haben. Schon allein mit seinem überraschenden Eintreffen hatte er bei ihr alte Wunden aufgerissen.
Bob bog um die Ecke des Flures und hatte schon die gläserne Eingangstür im Blick, als er wie vom Blitz getroffen zurückwich! Er konnte nicht fassen, was er da sah. Sein Herz begann wie ein Presslufthammer zu pochen!
Unbeantwortete Fragen
Keine zehn Meter von Bob entfernt stand ein Mann vor dem Empfangstresen, den er sofort wiedererkannte: Mr Kevin Anderson! Er schien sehr wütend zu sein. Ohne auch nur einmal Luft zu holen, ließ er eine ganze Reihe von Schimpfwörtern auf die junge Frau an der Anmeldung niederprasseln. Diese war davon jedoch nicht sonderlich beeindruckt.
»Ich habe schon weitaus schlimmere Kraftausdrücke gehört, Mr Anderson! Soll ich vielleicht auch mal loslegen? Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen: Dr. Freeman ist erst morgen Nachmittag von dem Kongress zurück! Wenn er im Hotel nicht zu erreichen ist und auf Ihre hinterlegten Mitteilungen an der Rezeption bisher nicht reagiert hat, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich bis morgen Nachmittag zu gedulden und hier noch mal vorbeizuschauen. Ich würde Sie ja gerne zu ihm schicken, aber er ist wirklich nicht da! Wenn ich könnte, würde ich ihn gerne wie ein Kaninchen aus dem Hut zaubern und Ihnen auf einem Silbertablett servieren, nur damit Sie endlich Ruhe geben!«
Der Moderator ließ nicht locker. »Ich muss ihn aber dringend sprechen! Hat er vielleicht eine geheime Handynummer für Notfälle?«
Die junge Frau verneinte. »Langsam komme ich mir vor wie eine CD, die an einer Stelle hängen geblieben ist und sich ständig wiederholt: Wenn er im Hotel nicht zu erreichen ist und auf ihre hinterlegten Mitteilungen an der Rezeption bisher nicht reagiert hat, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich bis morgen Nachmittag zu gedulden und hier noch mal vorbeizuschauen!«
»Und was ist mit dem Umschlag? Wieso hat er für mich keinen Umschlag hinterlegt?« Mr Anderson redete sich langsam in Rage. »Ohne diesen Umschlag bin ich aufgeschmissen!« »Ich empfehle Ihnen: Versuchen Sie es morgen Nachmittag.«
»Kann ich dann vielleicht zu Steven?«, versuchte es der Moderator nun mit einer anderen Strategie. »Vielleicht hat er für mich ...?«
Sie schüttelte entschieden den Kopf und deutete hinter sich auf die Wanduhr. »Um diese Zeit?
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