Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruge Eugen

Ruge Eugen

Titel: Ruge Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In Zeiten des abnehmenden Lichts
Vom Netzwerk:
schwieg. Er schwieg den ganzen Rückweg über, schwieg eisern, allerdings ohne dass Christina dies zu bemerken schien, nahm sich fest vor, kein einziges Wort mehr zu sagen – und fing dann in der Gaststätte, in der sie überflüssigerweise noch einen Kaffee tranken, doch wieder an zu reden. Redete und ärgerte sich, dass er nicht den Mund halten konnte, dass er jetzt doch von Socken und Pissbecken redete, verachtete sich dafür, war gleichzeitig sauer auf Christina, die, während er erzählte, schon auf die Uhr zu schauen begann und ihn schließlich – ein bisschen genervt, ein bisschen wohlmeinend – endgültig zum Schweigen brachte:
    – Denk an deinen Vater, der hat wirklich Schlimmeres erlebt.
    Er brachte Christina zum Bahnhof. Die Zeit war abgelaufen. Christina ging neben ihm mit ihrer Aura und ihrem Engelshaar, ihre Hand war kalt und ihr Schritt kurz, und Alexander hasste sie plötzlich. Und sehnte sich gleichzeitig nach ihr. Aber sie löste sich auf, sie verließ ihn, den Jammerlappen mit seinem Topfschnitt und seiner Uniform, er musste sie festhalten, drängte sie in einen Hauseingang, glaubte, sie müsse sich anstecken lassen von seiner Gier, glaubte, als sie sich sträubte, Gewalt anwenden zu müssen, versuchte sie umzudrehen, riss an ihren Strumpfhosen, aber Christina wehrte sich mit verblüffender Kraft, winselte seltsam, dann standen sie sich gegenüber, schnaufend beide, und Alexander wandte sich ab und ging.
    Es war noch nicht neun Uhr. Alexander setzte sich wieder in die Kneipe, bestellte Bier, bestellte Korn, dann noch ein Bier, schaute der Kellnerin hinterher, betrachtete ihre von einem schwarzen Rock nur knapp bedeckten Oberschenkel, deren fleischige Innenseiten beim Gehen aneinanderrieben, wenn sie durch den Gastraum schritt (im Unterschied zu Christinas Oberschenkeln, zwischen denen ein fingerbreiter Hohlraum klaffte), und Alexander hätte, ohne nachzudenken, den kompletten monatlichen Sold eines Wehrpflichtigen in Höhe von 80 Mark plus 40 Mark Grenzzulage abzüglich der bereits fälligen Bier- und Kornrechnung hingelegt, um seine Hand zwischen die fleischigen Oberschenkel der Kellnerin des Restaurants Harzfeuer in Halberstadt legen zu dürfen. Er bestellte Bier, bevor er das vorherige ausgetrunken hatte, erkundigte sich nach dem Namen der Kellnerin, sie hieß Bärbel, erklärte ihr mit unklarer Hoffnung, dass er bis vierundzwanzig Uhr Ausgang habe. Sie lächelte, schüttelte ihr kastanienbraunes Haar aus dem Gesicht, räumte Aschenbecher ab, sammelte Gläser ein, brachte neue, volle Gläser, bewegte sich mit fischartiger Geschmeidigkeit zwischen den zumeist von Soldaten besetzten Tischen, verschwand, tauchte wieder auf, warf ihm, so schien es, kurze, vielsagende Blicke zu, entblößte beim Lächeln ihre Nagetierzähnchen und brachte ihm schließlich, anstatt eines weiteren Korns, die Rechnung, wies sein großzügiges Trinkgeld zurück und ermahnte ihn streng, dass er jetzt losmüsse, wenn er pünktlich in der Kaserne sein wolle.
    Dann ging er die Betonstraße entlang, über sich einen mächtigen Sternenhimmel, der die Neigung hatte, immerzu einzustürzen, in sich ein Letschosteak, das die Neigung hatte, aus ihm herauszustürzen, sonst war ihm alles egal, er wunderte sich nur, dass er tatsächlich in Richtung Kaserne ging, dass er freiwillig dort wieder hineinging, falls er unterwegs nicht noch von einem Auto überfahren wurde, wozu es aber aus unbegreiflichen Gründen nicht kam. Als er im Bett lag, begann sich alles, obwohl in der Dunkelheit unsichtbar, um ihn zu drehen, das Letschosteak war nun nicht mehr aufzuhalten und landete, statt im Klo, in einem der zwanzig Waschbecken des Kompaniewaschraums. Jetzt tauchte der UvD auf und befahl Alexander, die Felddienstuniform anzulegen (äußerst schwierige Aufgabe), dann gingen sie zusammen über das Kasernengelände, Alexander erklärte dem UvD, dass er Christina liebte und dass sie einander «Bonny» nannten, nein, nicht Pony, sondern Bonny , wie es im Lied heißt, dann waren sie an der Wache, man nahm Alexander das Koppel ab, brachte ihn in einen kleinen Raum, in dem nichts weiter stand als eine Pritsche, auf deren Stahlfedergitter nicht einmal eine Matratze lag, und als Alexander am Sonntagmorgen um sechs aus dem Karzer geholt wurde, damit er das Waschbecken, in das er erbrochen hatte, reinigen konnte, bevor die Kompanie aufstand, trug er, wie er in einem der zwanzig Spiegel des Waschraums sah, den Abdruck der Stahlfedern in der rechten

Weitere Kostenlose Bücher