Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
ich frage Sie, könnte ein Maler aus dem Gesicht eine Heilige machen? Nimmermehr, ihm fehlt die Sinnlichkeit. – Sie bewegt sich – jetzt recht lebhaft – drückt ihre Lippe es aus? Verräth es das Auge? – Und nun dagegen Adelheid! Eine unwillkürliche Bewegung ihres Füßchens, und die Lippe spricht es aus, das Grübchen am Kinn. Elastisch die ganze Figur, aber das Gesicht die Blüthe. Wenn ich nichts als das Gesicht sähe, wollte ich mir ihre ganze Gestalt konstruiren. O Sie, müssen eine wahre mütterliche Freude an dieser Requisition haben.«
»Wenn sie meinen Erwartungen entspricht. Ihre Erziehung entsprach den beschränkten Sphären ihres elterlichen Hauses. Es müssen viele Gewöhnungen, vulgäre Ansichten ausgetrieben werden –«
»Nichts austreiben, um Gottes willen nichts austreiben, theure Frau!«
»Ihr fehlt das Sublime. Ich sehe noch immer durch alle ihre Reize den Thon, aus dem sie gebildet. Aus ihren ästhetischen Urtheilen platzt zuweilen eine Natürlichkeit, über die ich erschrecke. Daß die Herz sich für sie interessirt, ist mir lieb; ich hoffe, sie soll aus ihrer Conversation lernen. Manches Eckige, Erdige wird sich abschleifen, um dem Sinnigen Platz zu machen.«
Die Fürstin sah sie verwundert an, aber die Mißbilligung, die in ihrem Blicke lag, ging in ein Lächeln über: »Nicht die Herz! Keine Hofmeisterin! Die Herz würde ihr schöne Maximen predigen! O keine Predigten! – Sie zur Tugendpuppe erziehen, das heißt eine Natur verderben, wie sie nicht oft aus Gottes Schöpfung hervorgeht.«
»Ich meinte auch nicht grade eine Klostererziehung.«
»Dies pulsende Blut will sein Recht. Der Schöpfer träufte es in unsere Adern, wie er die Sonne in den Aetherbogen warf, wie er der Traube würziges Blut gab, uns zu berauschen. Wer nie berauscht war, nie im Wirbel der Leidenschaft taumelte, wer nie die Wonne dieser Erde kostete, der kann auch nicht die Wonne der himmlischen Seligkeit empfinden.«
Ihr schönes Auge glänzte so seltsam dabei, während sie starr nach der Decke sah. Nach einer langen Pause stand sie auf, und strich tief aufathmend ihren Scheitel mit beiden Händen. Sie lächelte schelmisch die Geheimräthin an:
»Nicht wahr, ich habe recht viel dummes Zeug gesprochen? Vergessen Sie es und entschuldigen mich. – Aber als ob ich mich vor Ihnen zu entschuldigen brauchte, vor einer Frau, die ja auch weiß, wie der Geist so oft sich vom Körper trennt, und die Seele hinfliegt in Räume, wohin das Auge nicht dringt. – Aber kommen Sie schnell unter die Andern, wir kommen ins Gerede. Wenn man auch etwas anders ist als die Andern, um Gottes willen, man muß es ihnen nicht verrathen!«
»Wo sehen Durchlaucht Plötzlich hin?«
»Ich –« Die Fürstin erröthete leicht und flüsterte ihr ins Ohr: »Mir war's, als sähe ich Jean Paul dort über den Gensd'armenmarkt kreuzen, um schneller hier zu sein. – Da unterhält sich ja der Herr von Fuchsius sehr lebhaft mit Ihrer Tochter. – Ei, ei, selbst der ernste Major Eisenhauch widersteht dem Magnete nicht und vergisst auf einen Augenblick seine großen Vaterlandsgedanken. Ich besorge, meine Freundin, Ihr Haus wird bald wie Troja aussehen –«
»Sehen Sie eine Zerstörung voraus?« fragte die Lupinus. Der Clairvoyantenblick der Fürstin hatte sie etwas verstimmt.
»Nur die Helena, um die ein trojanischer Krieg entbrennen wird. Sorgen Sie bald, wenn Sie dem entgehen wollen, für eine anständige Partie. Der Regierungsrath ist ein junger Mann, dem eine gute Carriere bevorsteht.«
»Herr von Fuchsius sieht nach Vermögen. Es ist nur Galanterie. Ich werde indeß ein wachsames Auge haben.«
»Wozu! Lasst doch die Schmetterlinge spielen. Die Jugend ist so kurz! Und was sagen Sie zum Legationsrath?«
»Der –!« Das Wort schien der Geheimräthin auf der Lippe zu ersterben. »Er und das Kind?«
»Sie haben nicht daran gedacht. Es ist auch so besser.«
»Durchlaucht kennen ihn? Er wird von so Vielen verkannt.«
»Die Bestimmung jeder Größe! Sie fühlt sich nur zu Gleichgesinnten hingezogen. Es täuschten mich auch vorhin wohl nur einzelne Blicke. Es war Elise, die mir ihre Beobachtungen mittheilte. Ach die gute Recke dachte vielleicht an ihr eigenes Verhältnis mit Cagliostro.«
»Cagliostro!« wiederholte die Lupinus.
»Cagliostro war doch vielleicht mehr, als wofür die Welt ihn jetzt erkannt haben will, meine Freundin. Er musste fallen, wie Viele gefallen sind, weil –
passons la-dessus!
– Unsere große Katharina war in
Weitere Kostenlose Bücher