Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
umfasste, aufspringend, ihre Hand, er bog den Kopf zurück, er starrte sie wie eine Erscheinung an: »Ist's Traum oder Wahrheit?«
»Walter, Walter, sprechen Sie, sonst wird's ein Traum, und mein Muth verlässt mich.«
Er presste die Hand heftig an seine Brust: »Ja – um Gottes Willen. Adelheid, Du –«
Er erdrückte den tiefen Seufzer, den er zu hören glaubte, indem er sie an die Brust schloß.
Ihr Herz schlug an seinem, sie weinte an seinem Halse, aber still, nicht wie die Leidenschaft, nicht wie die Seligkeit der Liebe weint. Er sank auf den Stuhl zurück, er hielt ihre Hände gefasst. So beschaute er sie. »Es ist des Glücks zu viel, zu viel auf einmal. Laß mich Dir ins Gesicht sehen, ob es nicht doch nur ein Traum ist?«
»Jetzt nicht, es könnte aussehen wie Lüge,« sagte sie, »nicht bis ich alles gesagt. Das Schwerste ist heraus, – – Sie müssten ja roth werden über mich, wenn – wenn nicht alles so gekommen wäre, wie es ist.«
»Wie es ist!« wiederholte er. »Du sahst in mein Herz. Du erbarmtest Dich meiner, um mich nicht länger in Hangen und Bangen zu lassen.«
Sie schüttelte den Kopf: »Nein, Walter. Sie müssen sich nicht anklagen, um mich zu entschuldigen. Sie waren nicht in Hangen und Bangen, Sie sind ein Mann.«
»Nun fort das kalte Sie,« rief er. »Ich nehme Besitz von meier Eroberung.«
»Du wusstest recht gut, daß wenn Du mich fragtest, ich nicht nein sagen könne. Und, weiß Gott, nicht um Dir das Herz zu erleichtern, habe ich gesprochen.«
Er wollte sie noch einmal an sein Herz drücken. Aber sie entwand sich sanft seinen Armen.
»Keinen Kuß auf eine Unwahrheit. Es muß jetzt volle Wahrheit zwischen uns sein.«
»Unwahrheit!«
Sie nickte mit einem thränenfeuchten Blick. »Laß mich nur einen Augenblick Athem schöpfen.«
Sie hatte sich an den Tisch gesetzt, der Kopf gleitete in die Arme. Er hatte sich leise an ihren Stuhl gestellt und legte sanft den Arm auf ihre Schulter. »Ich habe Dich lieb und bin bei Dir und Du hast mich auch lieb. Was hindert Dich noch?«
»Ich habe Dich lieb gehabt, seitdem ich Dich gekannt.« sagte sie ruhig sich zurücklehnend, »wie einen Bruder, vor dem ich mein Herz offen legen konnte. Habe ich's nicht gethan? Und wenn ich's nicht that, war es, weil ich dachte, Du läsest ja schon in meiner Seele wie in einem offenen Buche. Aber seit der – der fürchterlichen Geschichte ward es noch anders. Du allein bliebest immer derselbe gegen mich. Die Andern – erst wussten sie nicht wie sie mich ansehen sollten, und wichen mir aus. Nachher überschütteten sie mich mit Liebkosungen und Bewunderung, und machten aus mir wunder was, was ich nicht bin. Ich war doch nicht schlechter, nicht besser, Gott weiß es – aber was ich nun bin, nun ja, was ich besser bin, bin ich durch Dich. Seit ich das fühlte ward mir bange. Du hattest es mir vorausgesagt, durch große Leiden werde der Mensch geläutert, seine Sinne gehen auf für das Edle und Schöne und sein inneres Auge für das Ewige und Wahre. Und da sah ich, wie Du viel sorgsamer und liebevoller wardst, und mit jeder Schülerin würdest Du Dir nicht so viele Mühe geben. Und Dein Unterricht ward auch so besonders. Und da, Walter, da kam dann – ich weiß nicht wie – der Gedanke, daß es so sein müsste –«
»Und erschrakst Du vor dem Gedanken?«
Sie schwieg einen Augenblick: – »Nein gewiß nicht, Walter. – Wo konnte ich besser aufgehoben sein, dachte ich, wer sollte mich besser zum Rechten führen und schützen! Ich gewöhnte mich so daran, daß –«
»Du gewöhntest Dich nur daran!«
Jetzt erschrak sie vor dem Ton der Frage. Sie legte sanft die Hand auf seine, und blickte ihn klar an: »Hast Du nicht zuweilen gemerkt, daß ich lächelte? Ich dachte dann an das, was Du oft gesagt, der Mensch erzieht sich selbst, und man kann keine Natur ändern. Und Du wolltest mich doch ändern, so wie Du mich wünschtest. Und dann widersprach ich aus Uebermuth. Nur aus Schelmerei, ich nahm mir im Herzen doch vor, zu werden, wie Du es wünschtest.«
»Das hattest Du Dir vorgenommen und ich war der Gegenstand Deiner Gedanken!«
»Und da kam ich auf kuriose Dinge. Ob ich Dir auch würde auf die Schulter klopfen, wie Mutter thut, wenn sie der Vater anfährt, ob Du auch zornig werden könntest? Und ob ich dann auch so machen dürfte, wie Mutter thut, um ihn wieder gut zu machen. Ich muß Dir sagen, es kam mir nicht ganz recht vor, wenn auch Mutter sagt: so muß man die Männer behandeln, wenn man
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