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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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man noch mal Direktor werden, wie der Herr Iffland; der war auch anständiger Leute Kind. Auf dem großen Welttheater aber –«
    »Ist für uns nichts zu holen,« fiel Walter ein. »Ihre ehrbaren Bürger haben Recht. Erfuhren Herr Pathe sonst noch etwas?« sprach er, zum Abschied die Hand reichend.
    »Mancherlei! Man wird Heirathsannoncen lesen, über die man sich wundern soll. Mancher Herr Offizier lässt sich in aller Schnelligkeit kopuliren. Lieber Gott, wenn's ins Feld geht, will man den Kindern doch einen Vaternamen hinterlassen; das Gewissen schlägt auch unterm blauen Rock. Seine Majestät sind sehr damit zufrieden. – Ach, und wissen Sie schon vom Kriegsrath Alltag?«
    »Was?«
    »Wird Geheimer Tresorier des Königs, Titel Geheimrath. Da ist auch nur eine Stimme: Der hat's verdient! Mit seiner Demoiselle Tochter wird er nun auch höher hinaus wollen. Wer verdenkt es ihm?«
    »Adieu. Herr Pathe!« Der Pathe hielt seine Hand fest. Sein schlaues Lächeln schien noch ein Geheimniß zu verstecken. »Heraus damit!«
    »Ich sehe einen verlornen Sohn –«
    »Wo?«
    »Im Comptoir seines Vaters.«
    »Und was brachte ihn dahin?« Der Kastellan hielt beide Hände wie ein Sprachrohr an seines Pathen Ohr, daß es die Bäume nicht hören sollten, und schrie hinein: »Minchen Schlarbaum! Sechzigtausend Thaler!«
    Ein Mann in mittleren Jahren war während dieses Gesprächs in der Seitenhalle auf und ab gegangen. Walter hatte ihn bemerkt, ohne auf ihn zu achten. Der Fremde, sichtlich von einem Gedanken bewegt, hatte die Beiden kaum gesehen. Als der Pathe nach jener, wie er meinte, sehr feinen Insinuation rasch fortgeeilt war, hatte sich Walter in die Allee gewandt. Der Sonnenball versank gerade hinter den Brauhausbergen. Walter fasste an seine Brust und aus der wunden Tiefe, machte sich das Wort Luft: »Er war müde über Sklaven zu herrschen!«
    Der Fremde war hinter einem Baum hervorgetreten. In seinem festen, aber zuweilen stürmischen Schritt hielt er, wie frappirt, inne. Auf Walters Gesicht schien der letzte volle Sonnenschein, der Fremde stand beschattet; ein feingeschnittenes, charakteristisches Gesicht war noch zu erkennen.
    »Ein Hiesiger?« fragte der Andere rasch. Die Frage war seltsam, es mochte auch ein Beamter sein, der den späten Besucher auf einem nicht erlaubten Wege ertappt zu haben glaubte. Walter antwortete eben so kurz. »Aus der Hauptstadt.« »Ein Angestellter?« warf der Andere in derselben Art hin. »Ein freier Mann,« sprach Walter jetzt mit fester Stimme.
    Der Andere sah ihn groß an. Walter glaubte die Worte murmeln zu hören: »Das ist ja wunderbar.« Mehr hörte er nicht, denn Beide gingen an einander vorüber. Sie trafen sich zufällig noch einmal. Der Fremde hatte den Weg verfehlt, indem er einen Ausgang suchte, wo er nicht war. Walter wies ihn zurecht; es war auch sein Weg. Der Fremde schien durch eine leichte Bewegung zu danken, ohne es für nöthig zu halten, ein Wort zu verlieren. So machte es wieder der Zufall, daß sie neben einander gingen. Der Fremde war wirklich ein Fremder in der Mark, wie sein Accent dem kundigen Ohr verrieth, aber seine Kleidung, obgleich nur ein einfacher blauer Rock, die Sicherheit seiner Bewegungen, das aristokratische Gesicht, verriethen den vornehmen Mann. Er blieb stehen und betrachtete einen Gegenstand, der auch Walters Auge fesselte – die Mühle auf dem Berge. Ihr Dach war vom letzten Abendscheine schwach angeröthet, ein träger Wind trieb die Flügel. Der Begleiter verstand die stumme Frage, die der Andere, über die Schulter blickend, an ihn richtete: »Ja, sie ist es.« Damit schien eine Verständigung eingetreten.
    »Also Einer doch!« sagte der Herr im Weitergehen.
    »Wenn man sie kennte, würde man mehrere wissen, die auch Muth gehabt,« warf Walter hin.
    »Da man sie aber nicht kennt, so existiren sie nicht für die Geschichte,« entgegnete Jener.
    »Es existirt manches nicht in der Geschichte, was aber doch lebte.«
    »Was sich nicht geltend gemacht hat, lebt nicht,« entgegnete der Fremde scharf. »Es hat einmal vegetirt um zu faulen und Dung zu werden für Andere.«
    Walter entgegnete: »Der Müller von Sanssouei vor seinem König wird aber leben bleiben; uns lebt er als Symbol, daß ein Rechtsbewusstsein auch damals im Volk war.« Er hatte das uns scharf betont.
    »Wir aber,« entgegnete der Andere, »sehen in dem Aufheben, das man von der einen Geschichte machte, nur das Bekenntniß, daß der eine Mann nur eine Ausnahme von der Regel

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