Ruhe Sanft
Herumstehenden, einige Schritte zur Mitte des Bahnsteigs hin, vorbei an einer anderen Treppe, von der ein stetiger Strom von Menschen herkam. Ein junger Mann mit hüftlangem Haar spielte in der Nähe eines großen Abfallkorbs ein Violinkonzert von Mozart. Einige hörten ihm zu und warfen Geld in seinen Geigenkasten, und Wetzon gab ihm impulsiv alles, was sie in der Tasche hatte, bis auf die Haarnadeln.
Zwei Züge fuhren fast gleichzeitig in die Station ein, ein N und ein R. Der N war überfüllt, während der R ziemlich viele freie Plätze hatte, wo jeder gut sichtbar war. Normalerweise wäre sie in den R eingestiegen, um bis zur 14. Street sitzen zu können, aber es war keine normale Situation. Nur für den Fall, daß man sie noch suchte... Sie drückte sich vor der Tür des R herum, und gerade als die Türen sich schließen wollten, tat sie so, als wolle sie einsteigen, drehte sich um, rannte über den Bahnsteig zum N und drängte sich zwischen die wie Olsardinen zusammengepferchten Menschen. Die Türen schlossen sich an dem halbleeren R, als sie hinübersah.
»Noch ein Stückchen, so, weiter.« Ein lustiges Faß von Mann mit spanischem Akzent stieg hinter ihr ein, hielt sich wegen der Hebelwirkung an beiden Seiten der offenen Tür fest, und schob sie mit seinem Bauch und sich selbst in den gedrängt vollen Wagen. Sie konnte sich nicht mehr rühren und wurde von anderen ebenso eingezwängten Körpern gehalten. Die Stimme des Schaffners kam knackend durch den Lautsprecher und forderte dazu auf, die Türen freizumachen. Dann schlossen sich die Türen mit einem Ruck. Ihr Gesicht lehnte an irgendeinem Rucksack.
Der Mut verließ sie, als sie jemanden auf dem Bahnsteig rufen und dann an die Seite des Zugs schlagen hörte. Aber der Schaffner verkündete unnachgiebig: »Bitte zurücktreten. Der nächste Zug fährt sofort ein.«
Sie war zwischen zwei Frauen und einem Mann eingekeilt, der Arbeitskleidung mit Farbflecken anhatte und ein Bad nötig gehabt hätte. Der Mann hinter ihr entfaltete sogar eine Zeitung und las sie über ihr, wobei die Blätter an die Seite ihres Gesichts schlugen, die nicht an dem Rucksack lehnte. Daß sie auch so klein war! Was würde sie nicht für fünf oder zehn oder fünfzehn Zentimeter mehr geben. Das war doch nicht viel verlangt.
Ein paar Leute schrien sich auf Spanisch an, aber in Wirklichkeit war das ihre Art, sich zu unterhalten. Die zwei Frauen, jung und konzentriert aussehend, sprachen über die mathematische Philosophie des Punktes. Ein Punkt? Ein Tüpfelchen? Der Zug ruckte und brachte die eingekeilten Menschen aus dem Gleichgewicht. Die Frauen, die über den Punkt sprachen, wurden von dem Mann mit den Farbklecksen auf den Kleidern unterbrochen: »Ich glaube, ich könnte da weiterhelfen.« Die drei begannen sich über abstrakte Begriffe zu streiten, und Wetzon schaltete ab. 619 East 16. Street. Das war die Adresse, die Diantha ihr gegeben hatte.
Die nächste Station war 14. Street, Union Square.
Die Türen gingen auf, Menschen quollen hinaus, trugen Wetzon mit sich, schubsten und drängten sich vom Zug weg über den Bahnsteig. Sie stieg die erste Treppe hoch, ging durch das Drehkreuz, dann am Schalter vorbei, wo die übliche Schlange anstand, und eilte auf die Treppe zur Straße zu.
»Oh!« Der erschreckte Schrei kam von einer Frau vor ihr auf der Treppe. Wetzon, die ihren neuen Mantel anhob, um nicht die Stufen zu fegen, blickte hoch, war bereit wegzulaufen.
Eine winzige Maus rannte hin und her, verschreckt, verzweifelt nach dem Ausweg suchend. Hinter Wetzon stieß eine andere Frau einen leisen Schrei aus. Die Maus sah eine Öffnung, schoß die Treppe hinauf und hinaus in die Nacht, wohin sie auch laufen wollte.
Sie kam auf den Union Square hinaus, ein verwahrlostes Stadtviertel, das gerade eine phantastische Auferstehung erlebte. Ein Teil des Platzes war gepflastert wie ein Parkplatz, und zwei- oder dreimal wöchentlich das ganze Jahr über fand hier der beste Bauernmarkt in Manhattan statt, auf dem frisches Obst und Gemüse ebenso angeboten wurden wie Blumen, Pflanzen, Fleisch, Fisch und Backwaren von Farmen im Staat New York, in New Jersey und Pennsylvania.
Der Bauunternehmer William Zeckendorf hatte ein Hochhaus mit Eigentumswohnungen an der Ostseite des Platzes gebaut, und das Viertel, das völlig heruntergekommen war, belebte sich allmählich neu. Überall waren elegante Restaurants eröffnet worden; die Gegend wurde ebenso schnell nobel wie ihr Viertel an der Upper
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