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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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eine Gegensprechanlage aussah. »Fahrgast zum Grand Central.«
    Nachdem Judy Blue sie bei Dollar Bill’s abgesetzt hatte, ging Wetzon nach oben und kaufte ein halbes Dutzend hauchdünne schwarze Strumpfhosen, verstaute das Paket in ihrer Einkaufstasche und ging das kurze Stück zur Halle des Hyatt.
    Keine Spur von Diantha Anderson. Sie würde zwanzig Minuten warten, mehr nicht.
    Ein grauhaariger Mann in einem Cordmantel beschimpfte eine bescheidene kleine Frau, vermutlich seine Angetraute, wegen der Einkaufsbeutel und Päckchen, mit denen sie beladen war. »Am Ende kommen wir immer wie Asylanten daher mit unseren ganzen Paketen.« Die Frau sah gedemütigt aus. Sie tat Wetzon leid.
    An der Marmorwand links lehnte ein großer, sportlich aussehender Mann in gelbbraunem Trenchcoat, der die New York Times las. Er blickte kurz auf und vertiefte sich wieder in seine Zeitung. Die Tür zur Straße ging auf, und ein anderer großer, gutgebauter Mann in gelbbraunem Regenmantel kam in die kleine Halle und ging auf sie zu, als wolle er sie nach dem Weg fragen. Hinter ihm sah Wetzon Diantha Anderson auf die gläserne Eingangstür zugehen.
    Der Mann, der die Times las, faltete sie zusammen, legte sie auf einen Marmoraschenbecher in der Nähe und schlenderte auf Wetzon zu. »Leslie Wetzon«, sagte er und nahm sie am Ellbogen. Der andere Mann im Trenchcoat stand rechts von ihr. Wetzon sah vom einen zum andern. Was ging hier vor? Sie sah Dianthas besorgtes Gesicht, sah sie einige Schritte entfernt stehenbleiben, nahe einer Schar Kongreßteilnehmer, die gerade mit Unmengen Gepäck aus einem Reisebus ausgestiegen waren. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Wir möchten, daß Sie mitkommen, bitte«, sagte der erste Mann. »Ohne Aufsehen zu erregen.«
    »Wer sind Sie?« fragte sie eindringlich.
    »FBI«, sagte der zweite Mann.

»Halt! Ein Dieb!« schrie eine Frau.
    Eine Gruppe kofferschleppender ausländischer Touristen, die offenbar gerade aus einem der Flughafenbusse gestiegen waren, drängten sich durch die enge Halle, verschreckt durch den Schrei der Frau, vielleicht erinnert an all die schrecklichen Geschichten, die sie über das Leben in New York gehört hatten. Der Panik nahe drückten sie gegen Wetzon und ihre zwei Begleiter, durcheinanderredend und schiebend. Die Männer in den Trenchcoats stemmten sich dagegen, versuchten vergebens, die Woge aufzuhalten.
    »Paßt auf!« schrie jemand. »Er hat eine Pistole!«
    »Wo ist er?« Die Hysterie griff um sich. Ängstliche und wütende Stimmen waren zu hören.
    Ein Arm berührte Wetzon von rechts, hakte sich bei ihr unter und riß sie auf die Seite. Eine deutliche Stimme sprach in ihr Ohr. »Kommen Sie schnell mit, keine Fragen.« Die Stimme klang so herrisch, daß es Wetzon nicht in den Sinn kam, Einwände zu machen.
    Sie überließ sich Diantha Andersons Führung, die einen Weg durch das verworrene Gewimmel aus Armen, Beinen, Kameras, Körpern und Gepäck bahnte. Dann stieß Diantha eine Glastür auf der rechten Seite der Halle auf, und sie waren draußen und rannten durch einen Korridor mit Läden auf beiden Seiten. Sie tauchten in die Grand Central Station ein, zusammen mit den Scharen von Pendlern, die in der Stoßzeit wie Lemminge zu Zügen und U-Bahnen strömten.
    »Okay, warten Sie!« überschrie Wetzon den ohrenbetäubenden Lärm der Menschen und Züge. Sie blieb an einem Stand mit gebackenen Kartoffeln zum Mitnehmen stehen und schnappte nach Luft. »Geschafft...«
    »Nein, noch nicht, sehen Sie.« Diantha zeigte nach hinten auf den Korridor, durch den sie gekommen waren, und Wetzon sah einen großen Mann im Trenchcoat aus derselben Seitentür des Hyatt kommen, die sie gerade benutzt hatten.
    »Gehen wir nach draußen und suchen ein Taxi.«
    »Nein.« Diantha packte ihre Hand. »Hier unten können wir uns um diese Zeit leichter verstecken, wenn wir einfach weitergehen.«
    Sie schlugen eine andere Richtung ein und gingen tiefer in den Untergrund, in einen abfallenden Tunnel, der zu den Pendelzügen zur West Side führte, die alle paar Minuten gingen und Passagiere von der East Side zur West Side beförderten. Der Tunnel, dessen Wände den Zauber von New York anpriesen, Broadway-Shows, Restaurants und Filme, war praktisch ein Schlafsaal für die menschlichen Wracks. Die Obdachlosen mit ihrer Habe in Einkaufsbeuteln, schmutzverkrustete Bettler, Stadtstreicher saßen auf plattgedrückten Pappkartons oder standen im Tunnel aufgereiht und baten um Geld. Andere schliefen, unter

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