Ruhe Sanft
Silvestri mit dem Blick. »Lassen Sie mich etwas erklären, Miss Wetzon. Wir haben es hier mit Brighton Beach zu tun. Sie haben von Brighton Beach gehört?« Er gab ihr keine Gelegenheit zu antworten. »Es ist ein Nest von russischen Immigranten, manche legal, manche nicht. Richtige altmodische Spezialisten, Mörder, Diebe, Gauner und Hochstapler, Schieber aus Moskau, Kiew, Leningrad und Odessa leben dort unter anderen Russen. Es wird Little Odessa genann. Es gibt dort Tausende von der Sorte. Wenn jemand dort verschwinden will, verschwindet er. Sie verstehen, was ich damit sagen will?«
Wetzon nickte. »Aber was ist mit der Adresse?«
»Postannahme. Süßwarenladen. Tsminsky’s Ice Cream Shoppe. Der Besitzer macht das gegen eine Gebühr für viele Leute. Erinnert sich bequemerweise an nichts, was uns helfen könnte. Wie eine Mauer. Sie mögen Juden sein, aber sie sind immer noch Russen. Angeborene Paranoia. Sind sie russische Juden, doppelte Paranoia.«
»Und der Schuh?«
»Das wäre etwas, wenn es den gleichen im Schrank der alten Dame gäbe, aber da war keiner.«
»Aber...«
»Komm schon, Les.« Silvestris Hand lag auf ihren Schultern.
»Sehen Sie, Miss Wetzon. Wir haben unsere Arbeit erledigt.« O’Melvany klang gelangweilt. Sie fühlte sich frustriert und wütend. Und da redete der von einer Mauer. »Wir haben die Wohnung gründlich durchsucht.« Er beugte sich über den Schreibtisch zu ihr vor. Sein Atem roch ekelhaft nach Zigaretten. »Ich persönlich. Wenn noch so ein Schuh dagewesen wäre, hätten wir ihn gefunden, das können Sie mir glauben. Das alte Mädchen war in schlechter Verfassung. Sogar ihr Anwalt sagt das. Sie wußte nicht, was sie tat. Sie wußte vermutlich nicht einmal, daß Winter ist, und ging hinaus auf die Terrasse und plumps .«
»Ich weiß einfach, daß es Peepsies Schuh war«, sagte Wetzon mehr zu sich selbst als zu den andern.
Silvestris Piepser meldete sich.
O’Melvany stand mit einem Achselzucken auf und reichte ihr die getippte Aussage. »Wissen Sie, wieviel Abfall an dem Tag wegen des Sturms auf den Straßen lag? Hätte wer weiß woher kommen können. Jede Frau in der Gegend trägt Schuhe von Gucci. Und Sie würden Augen machen, was die Müllmänner an einem normalen Tag in diesem Teil der Stadt auflesen.«
Silvestri ging ins Bereitschaftszimmer und telefonierte, während Wetzon die Aussage las. Sie wimmelte von durchgestrichenen Wörtern und Druckfehlern, aber sie war korrekt. Sie unterschrieb sie.
»Hören Sie, Miss Wetzon.« O’Melvany rieb behutsam seinen Rücken. »Warten wir doch ab, bis die Autopsiebefunde hereinkommen, bevor wir uns ein abschließendes Urteil bilden. Was halten Sie davon?«
»Okay.« Sie griff in die Handtasche und zog ihr Kartenetui heraus. »Hier können Sie mich erreichen.« Unter ihrer Geschäftskarte lag Sonya Mosholus Karte. »Sergeant, vielleicht kann diese Dame Ihrem Rücken helfen. Ich gehe zu ihr, wenn ich einen Hexenschuß habe. Sie macht psychomotorische Therapie.« O’Melvany gab sich größte Mühe, höflich zu bleiben. Sie sah es ihm an. Er nahm die zweite Karte nicht, deshalb ließ Wetzon sie auf seinen Tisch fallen.
»Ich wollte Ihnen noch sagen, daß wir nicht aufgegeben haben, diese Ida zu finden. Ich habe mit einem Detective vom Sechs-Null gesprochen, sie bearbeiten Brighton Beach, und er hält die Augen nach ihr offen.«
Silvestri erschien wieder. Sie sah ihm an, daß er etwas auf dem Herzen hatte, das er nicht mitteilen würde. "Fertig? Gut.« Er schüttelte O’Melvanys Hand und schlug ‘hm auf die Schulter. »Wenn ich dich einweihen soll, ruf mich an.«
»Verlaß dich drauf.« O’Melvany lächelte. Er hatte ein nettes Lächeln. Es veränderte sein Gesicht völlig. Linien wie Spinnweben rahmten seine Augen.
»Ich weiß, daß sie ermordet wurde«, erklärte Wetzon und trat einen großen Klumpen Schnee auf die Straße.
»Außer der Russin hast du nichts, Les.« Vor ihrem Treffen mit O’Melvany hatte es aufgehört zu schneien aber jetzt schwebte der Schnee als dichtes feines Pulver im Zeitlupentempo herunter. Silvestris roter Parka war weiß vor Schnee. Schneeflocken lagen auf seinen dunklen Wimpern und Brauen. Metallschaufeln kratzten auf den Bürgersteigen, wenn sie auf Beton oder festgetretenen Schnee trafen.
Silvestri wischte den Schnee von der Windschutzscheibe seines kostbaren schwarzen Toyota. Wetzon nahm etwas Schnee von einer hüfthohen Verwehung. Sie formte einen Ball, dann noch einen und noch einen und
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