Ruhe Sanft
um Hazel gekümmert hast.« Sie liebte ihn. Sollte sie ihm von der Nachricht erzählten?
»Nette Frau.« Er schlang die Arme um sie.
»Silvestri...«
»Les.« Seine Stimme hauchte ihr warm ins Ohr.
»Was?«
»Sei still.«
Eddie O’Melvany war Kettenraucher. Die langen Finger seiner rechten Hand waren gelb vom Nikotin. Sein schmaler Schnurrbart war ebenfalls orangegelb gefärbt, oder war das die natürliche Farbe? Ein gläserner Aschenbecher auf seinem Schreibtisch lief von Kippen über. Er war über eins fünfundachtzig groß und schlaksig, wie ein Basketballspieler — bei St. Johns, wie sich herausstellte. Silvestri erzählte ihr, daß er Centerspieler im Meisterschaftsteam Mitte der Sechziger gewesen war.
Er trug einen sehr gut geschnittenen dunkelbraunen Anzug und eine Kaschmirweste in Schottenmuster. Mit einem Bein auf dem Sitz seines Stuhls stehend, beschwerte er sich bei jemandem am Telefon, und die ganze Zeit zog er dabei hektisch an einer Zigarette.
»Die Hälfte, verdammt noch mal. Die Hälfte ist nicht erschienen. Und wer muß es ausbaden? Als ob ich mir davon was kaufen könnte...« Er legte auf. »Der verdammte Schnee«, sagte er, während er an einem Faden an der Hose zupfte, bevor er den Fuß wieder auf den Boden stellte. »Herrgott.« Er stöhnte und rieb sich das Kreuz.
Im Bereitschaftsraum klingelten pausenlos die Telefone, und ein einzelner Detective rannte von Tisch »T Tisch, um sie zu bedienen.
Es war ein abgeteilter Raum ähnlich dem Silvestris aber noch kleiner. Nur ein Schreibtisch stand darin. Alles war vor kurzem gestrichen worden. Das gleiche genormte Grau. Irgend jemand hatte vergessen, das Schild >Frisch gestrichen« von dem Sims neben Wetzons Stuhl abzunehmen.
»So, Silvestri, was hast du sonst noch für mich?«
»Leslie Wetzon, Eddie O’Melvany.« Silvestri lehnte am Türpfosten, die Hände in den Taschen, das Gesicht ausdruckslos.
O’Melvany hob zwei Finger an die Schläfe und begrüßte sie höflich. Die Aktion bewirkte, daß er das Gesicht verzog und wieder seinen Rücken massieren mußte. »Tut mir leid. Harter Tag. Ich hab’s im Kreuz-.« Er humpelte zur Tür und streckte den Kopf um Silvestri herum vor. »Kaplan?« Es kam keine Antwort. »Allmächtiger«, rief er aus. »Keiner da, der eine Aussage aufnehmen kann?« Immer noch keine Antwort. »He, Alvaro, kannst du mir aushelfen?«
Alvaro, eine dunkelhäutige Frau mit der Figur eines Gewichthebers, die sich in einen blauen Jeans-Overall gezwängt hatte, schrie: »Kann nicht, Sarge. Wir haben einen möglichen Einbruch beim Guggenheim. Ist keiner sonst da, deshalb bin ich dran.« Sie griff nach einem Mantel und ging, wobei sie mit einem uniformierten Beamten zusammenstieß, der in den Bereitschaftsraum kam und auf ein läutendes Telefon zustürzte.
»Scheiße«, sagte O’Melvany. Er kam an seinen Schreibtisch zurück und spannte einen Bogen in die Schreibmaschine. »Scheiße«, wiederholte er, als er versuchte, das Blatt Papier geradezurücken.
Wetzon hörte einen kurzen erstickten Laut, und als sie sich umdrehte, sah sie Silvestri grinsen.
O’Melvany, der nach dem Adlersuchsystem tippte, nahm eine kurze Aussage von Wetzon auf. Er hörte auf zu schreiben. »Das deckt sich mit dem, was Miss Osborn uns berichtet hat.« Er zündete eine Zigarette an, während er eine andere ausdrückte. »Ich sehe keinen Grund, hier an einen Mord zu denken.«
»Ach, haben Sie Ida gefunden?« fragte Wetzon aufgebracht. »Und was ist mit dem Gucci-Schuh?« Sie drehte sich zu Silvestri um, der in die Betrachtung der Nägel seiner linken Hand vertieft war.
»Nein.« O’Melvany zog mit einem Ruck das Blatt aus der Schreibmaschine, ohne die Walze zu lösen. Wetzon zuckte zusammen. »Wir haben diese Ida nicht gefunden...«
»Aber es ist doch ganz einfach.« Sie sah Silvestri an. Er grinste wieder, zum Teufel mit ihm. Sie wandte sich an O’Melvany, der einen gequälten Ausdruck im Gesicht hatte. »Sie brauchen doch bloß bei der Agentur, für die Sie gearbeitet hat, nachzufragen.«
»Nach dem, was uns der Anwalt erzählte, gab es keine Agentur. Sie war eine unabhängige Kontrahentin. Jede Woche bekam sie mit der Post einen Scheck...«
»Ich verstehe nicht.« Wetzon gab sich große Mühe, nicht wütend zu werden. Sie sah wieder Silvestri an. Er studierte etwas an der Decke. Es war aber nichts an der Decke. Er würde ihr nicht helfen. »Wenn ein Scheck an sie geschickt wurde, dann gibt es eine Adresse...«
O’Melvany durchbohrte
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