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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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die Schönheit zu bewundern. Bis Montag würde die Stadt sich ausgebuddelt haben und wieder mit dem Geldverdienen beschäftigt sein. Die wunderschöne weiße Märchenlandschaft würde sich in eine graue, rußverschmierte Arena verwandeln.
    Es schneite jetzt wieder. Schneeräumer rückten langsam vor und streuten Sand auf die Fahrbahn. Sie dämmten die Flut offenbar nicht ein, weil der Schnee sich in gewaltigen Mengen türmte. Hier und da war noch zu erkennen, daß ein Bürgersteig freigeschaufelt worden war, aber frischer Schnee bedeckte die freien Stellen schnell wieder.
    Die Außentür ihres Hauses war verschlossen, was bedeutete, daß der Nachtportier nicht durchgekommen war. Wenigstens hatte der Hausmeister dafür gesorgt, daß abgeschlossen war. Manche Mieter beklagten sich ständig, weil sie nicht gern die zusätzlichen Schlüssel mitnahmen. Und manchmal ließ einer die Tür einfach unverschlossen. Wetzon überlegte, während sie nach ihrem Schlüssel kramte, ob Silvestri hineingekommen war oder ob er verärgert nach Hause gegangen war, ins eigene Bett.
    Sie schüttelte sich auf der Fußmatte ab, zog die Stiefel aus und öffnete die Tür. Auf der Schwelle lag ein Umschlag. Sie hob ihn auf. Die Deckenlampe brannte gedämpft. Sie hörte streitende Stimmen aus dem Schlafzimmer — Schüsse. Der Fernseher. Ihre Haut prickelte. Sie ging auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer. Silvestri war auf ihrem Bett eingeschlafen, und der Fernseher dröhnte.
    Sie hängte den Mantel an die Leine in der Dusche und reinigte ihr Gesicht vom Make-up, bürstete das Haar aus und flocht es zu einem einzigen langen Zopf. Methodisch breitete sie ihre Kleider im Wohnzimmer aus und schlüpfte in ein Flanellnachthemd. Wo hatte sie den Umschlag hingelegt? Wahrscheinlich eine Mitteilung der Hausverwaltung.
    Sie schossen wieder aufeinander im Schlafzimmer. Sie konnte an der Musik hören, daß der Film fast vorbei war. Ihr Gesicht starrte ihr gerötet und glücklich aus dem Badezimmerspiegel entgegen. Was trödelst du hier herum? fragte sie das rosa Gesicht mit den glänzenden grauen Augen.
    Als sie den Fernseher abschaltete, sah sie seine Pistole und die Halfter auf dem Boden halb unter dem Bett. Ihr Vater hatte ein Gewehr und eine Schrotflinte besessen, und sie hatte das Gewehr sogar einmal benutzt...
    Sie ging um das Bett herum auf die andere Seite. Etwas unter ihren Füßen knisterte. Der Umschlag. Sie hob ihn auf und hielt ihn schräg in das fahle Licht, das durchs Fenster drang. Es stand nichts darauf. Sie öffnete ihn und zog eine Karteikarte heraus. Auf der Karte standen in krummen, kindlichen Druckbuchstaben die Worte: Stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen.
    Die Karte fiel ihr aus der Hand. Worauf bezog sich das? Es mußte eine verrückte Nachricht von einem Hausbewohner sein. Vielleicht die Frau, die ins Fitneßcenter nebenan schwimmen ging und den ganzen Aufzugsboden voll Wasser tropfen ließ, wenn sie zurückkam. Wetzon hatte sich darüber beschwert. Sie wollte heute nacht nicht daran denken. Es war zu albern. Manchmal nervte es sie, in einem genossenschaftlich geführten Haus zu wohnen.
    Sie legte sich neben Silvestri. Es war kalt. Sie würde ihn Wecken müssen, um unter die Steppdecke zu kommen. Das Zimmer war von jenem besonderen fahlen Licht erfüllt, das von dem weißen Schnee und den niedrigen Wolken reflektiert wurde. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Jalousien zu schließen. Es schneite immer noch.
    Silvestri sah im Schlaf jung und unschuldig aus. Sie berührte sein Gesicht. Er hatte sich rasiert. Sie rollte herum und schlang die Arme um ihn, legte das Gesicht in die Grube zwischen seiner Brust und Schulter, hauchte ihn an.
    Er schrak zusammen, wachte auf, entspannte sich und hielt sie fest. »Les... langsam Zeit.«
    »Wir haben einen Blizzard. Hätte es fast nicht nach Hause geschafft. Die Stadt wird morgen dicht sein.«
    »Gut«, murmelte er und zog sie an sich.
    »Mußt du morgen irgendwohin gehen?« fragte sie, indem sie sich an ihn kuschelte.
    »Wir werden mit O’Melvany sprechen, das ist alles...«
    »Mmm«, murmelte sie in sein Ohr. »Unter die Bettdecke, Sergeant, bitte, Sir.« Sie rollte von ihm weg und schlupfte unter die Decke. Die Laken waren eiskalt. Er stand auf, zog Pullover, Jeans und Socken aus und kam wieder zu ihr, als sie ihm die Decke hochhielt.
    Sie berührte die weiche Behaarung seiner Arme und fuhr mit den Händen über die Schwellung seines Bizeps. »Danke, daß du dich

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