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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Tanzfläche. Misha stritt erregt auf Russisch mit dem Akkordeonspieler, der Wodka aus der Flasche runterkippte und sein Instrument einpackte. Als Misha wütend die Hände hochwarf, drängte Teddy sich dazwischen und zog Wetzon hinter sich her. Der Akkordeonspieler nahm die Flasche und den Akkordeonkasten und ging.
    Nur die Kellner, Ilena und einige Nachzügler blieben übrig. Ein Betrunkener lag mit dem Kopf auf einem der kleinen Tische, ein langer Arm über dem Boden baumelnd, völlig bewußtlos. Das Küchenpersonal stand flüsternd an den Schwingtüren herum.
    Schließlich wurde ein Sprecher bestimmt. Ein großer Mann mit Kochmütze und schmutziger Schürze trat vor, dessen eingefallenes Gesicht und rotgeränderte Augen ein ausschweifendes Leben verrieten. Er sprach mit Ilena, die sofort anfing, ihn anzuschreien und mit den Armen zu wedeln.
    Misha wirkte hilflos. Berge nicht verzehrter Speisen waren auf den Tischen übriggeblieben.
    »Was geht hier vor, Misha?« fragte Teddy, indem er Misha am Arm packte.
    Misha hob umständlich die Schultern. »War Unfall-Leute werden nervös.«
    »Ein Unfall? Hier?«
    »Nicht hier. Auf Straße. Wer weiß. Du gehst jetzt, Tuvya.«
    Was für ein Unfall mochte das sein, der ein ganzes Restaurant ausräumte? fragte sich Wetzon.
    Misha lächelte zynisch, als wüßte er, was sie dachte, und ging ihre Mäntel holen. Ilena stritt sich noch mit dem Küchenpersonal herum. Wetzons Augen tränten. Sie bedauerte jetzt, nicht noch einen Schluck Wodka getrunken zu haben, bevor sie den Tisch verlassen hatten. Vielleicht hätte es ihrer Kehle gutgetan.
    Misha kam zurück und reichte ihnen stumm die Mäntel.
    »Komm. Ich bringe dich hier weg.« Teddy sah sie besorgt an. Er half ihr in den Mantel und gab Misha die Hand. Misha küßte wieder mit großem Zeremoniell Wetzons Hand. Sie zeigte über die Tanzfläche auf Ilena und nickte Misha zu.
    »Ich grüße sie von Ihnen, Vetski. Wir sehen uns wieder, nicht, Tuvya?« Er reckte sich auf die Zehenspitzen, um Teddy auf beide Wangen zu küssen.
    Auf der Straße stach der eisige Wind ihr Gesicht wie mit Nadeln. Unten auf der breiten Avenue, wo Tsminsky’s lag, hatte sich eine gewaltige Menschenmenge versammelt, und man sah die rotierenden Lichter in Weiß und Orange von Streifenwagen und Notarztwagen. Viele Lichter und viele Autos. Vielleicht die ganze Kundschaft des Café Baltic und des Restaurants Odessa drängelte sich in modischem Putz dort auf dem Bürgersteig. Vom Hintergrund hörte man das stetige Krachen der rauhen Brandung unmittelbar hinter der Strandpromenade, und um sie herum blies der feuchte, salzige, reinigende Wind vom Ozean her.
    Teddy sah unschlüssig aus. »Hör mal, Wetzi, wenn ich ein x-beliebiger Freund von dir wäre, würde ich dich so schnell wie möglich von hier wegbringen, aber ich bin Repor-«
    Sie legte die Hand auf seinen Arm. Mit dem Kopf wies sie auf die Menge und die Lichter. Sie war genauso neugierig wie er. Was für eine Rolle spielten fünfzehn Minuten jetzt noch?
    »Warte hier einen Moment. Ich habe eine Idee.« Teddy ging noch einmal ins Baltic und kam schnell mit einer Flasche Cognac zurück. Er zog die Kappe ab und nahm einen kräftigen Schluck, wischte mit der Handfläche über den Flaschenrand und reichte sie ihr. »Trink«, befahl er, während er die Menge absuchte und sich langsam von ihr entfernte. »Feuchte bloß deinen Mund innen an und laß ein wenig in die Kehle tröpfeln, wenn du kannst. Es ist ein wunderbares Schmerzmittel.«
    Sie tat es und spürte sofort Wärme und dann Feuer. Ihre Augen brannten, aber die Kehle begann Gott sei Dank taub zu werden. Sie reichte ihm die Flasche wieder. Er steckte den Stöpsel auf und versenkte sie in einer tiefen Innentasche seines Mantels.
    »Komm mit.« Er hielt seine Hand in der Mitte ihres Rückens und schob sie fest näher an das dichte Gedränge. Eine Sirene heulte; ein Streifenwagen fuhr vom Straßenrand los.
    »Was ist passiert?« fragte Teddy einen massigen Mann mit großem Schnauzbart, der eine Mütze mit Ohrenklappen trug. Der Mann musterte ihn mißtrauisch. »War da ein Unfall?«
    »War Schießerei«, sagte eine Frau neben dem Mann. »War ein...«
    Der Mann murmelte etwas Barsches zu der Frau, und sie verstummte. Sie entfernten sich von Teddy und Wetzon.
    Teddy schaute sich in dem grellen Licht um. Ein CBS-Lastwagen fuhr auf der anderen Seite der Brighton Beach Avenue vor und hielt mit quietschenden Reifen. Ein Kleinbus von Kanal acht folgte ihm fast

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