Ruhe Sanft
es ihr dumm vorkam, Angst zu haben. »Sie können vielleicht Bruder helfen«, sagte er in drohendem Ton.
»Was?« Sie versuchte zurückzuweichen.
»Er Makler.«
Wetzon starrte ihn an. Er sah überhaupt nicht gefährlich aus. Sie unterdrückte ein nervöses Lachen. Meine Güte, Wetzon, du bist schon fast so bekloppt wie sie. »Entschuldigung. Bei welcher Firma ist Ihr Bruder?« Sie spürte den Schmerz in der Kehle beim Sprechen.
»Hoffman, Parker.« Es war ein Pennystock-Unternehmen von bescheidenem Ruf. »Kein so guter Platz. Vielleicht Sie helfen ihm?«
»Ich kann es versuchen.« Sie angelte in ihrem Rucksack nach dem Kartenetui und gab ihm ihre Karte. »Er soll mich anrufen.«
»Danke, danke.« Er steckte die Karte in die Tasche und wollte gehen.
»Warten Sie.« Wetzon berührte ihn am Ärmel. »Wie heißt er?«
»Roman Grosky.«
Smith würde lachen, dachte Wetzon. Sie wünschte, sie könnte Smith jetzt auf der Stelle sehen und mit ihr sprechen. Wetzon konnte gehen, wohin sie wollte, sie traf ständig auf Börsenmakler. Es war ein alter Witz bei ihnen: Falls Wetzon Schiffbruch erlitte und an einer verlassenen Insel an Land gespült würde, käme ein Börsenmakler aus dem Dschungel und würde sie bitten, ihm eine Stelle zu besorgen. Um Gottes willen, Wetzon, eben versuchte jemand, dich umzubringen, und eine Minute später überreichst du höflich deine Geschäftskarte.
Der Rauch in dem lauten Saal war betäubend. Sie konnte kaum schlucken. Sie wollte schreien, jemand hat versucht, mich zu töten, aber sie war eine Fremde in fremdem Land.
Als sie auf ihren Tisch zuging, sah sie Teddy vornübergebeugt mit Misha reden. Ilena stand ein Stück entfernt, rief und schwenkte einen weißen Chiffonschal, dirigierte die Kellner. Sie wandte sich einmal an Teddy und Misha und sagte etwas, wobei sie nachdrücklich den Kopf schüttelte. Misha gestikulierte aufgebracht, die allgegenwärtige Zigarette wie an den Fingern angewachsen.
Wetzon rutschte neben Teddy auf die Bank, und er nahm sie zur Kenntnis, indem er ihr Knie tätschelte, sah sie aber nicht an. Er war ganz in sein Gespräch mit Misha vertieft. Sie verstand nicht, wovon sie redeten. Der Krach war ohrenbetäubend. Aber es war ihr sowieso im Augenblick alles egal außer ihrer Kehle. Teddy schien Misha inständig um etwas zu bitten. »Verraten Sie meine Quellen nicht«, schnappte sie einmal auf.
Misha schüttelte den Kopf, gab Teddy einen deftigen Klaps auf den Rücken und stand auf, um etwas in der Mitte des Restaurants sehen zu können, irgendein Problem. Ilena schrie frustriert die Leute an und stampfte mit dem Fuß auf. Die Musik und der Tanz gingen in rasendem Tempo weiter. Drei Männer tanzten mit mehr Begeisterung als Können Kasatschok, während Kellner sich mit übertrieben vollen Tabletts mit Speisen durchlavierten. An der Seite rauften vier Personen, um an ihre Mäntel heranzukommen. Ein Messingständer kippte um, aber es hingen so viele Mäntel darauf und die Musik spielte so laut, daß man nichts davon hörte. Misha stürzte sich mit finsterem Blick in das Gewühl, um den Streit zu schlichten.
Wetzon fröstelte. Der Saal erschien ihr kalt. Die Deckenlampen kreisten und kreisten über ihr. Die Musik klang auf einmal hohl. Gäste verlangten ihre Rechnungen. »Was...«
Teddy wandte sich von der seltsamen Szene auf der Tanzfläche des Restaurants ab und starrte Wetzon an. »Was ist denn mit deiner Stimme los?«
»Jemand versuchte...«
»Was?«
Sie schloß die Augen kurz und schüttelte den Kopf. Dann rollte sie den hohen Rollkragen ihres Pullovers herunter. Teddys Kopf fuhr zurück. »Ach, du Scheiße! Wie ist das passiert? Sprich nicht. Scheiße! Komm, weg von hier.« Er berührte ihre Schulter, und sie zuckte zusammen. »Verflixt, tut mir leid, Wetzi. Hätte aufpassen sollen. Du warst lange draußen...«
»Was hast du aus Misha und Ilena herausgekriegt? Kennen sie Ida?« Sie sprach mit ganz flacher Stimme.
»Sie sagten nein, aber sie kennen jeden.«
»Worüber hast du dann mit Misha gestritten?«
Er wich aus. »Ich fragte ihn, ob er etwas von diesem Makler und der Betrugsgeschichte weiß.«
»Scheiße, Teddy.« Sie war empört. »Das ist alles vertraulich...«
Die Musik wurde immer dünner. Nur der Akkordeonist spielte noch. Alle waren im Aufbruch.
Wetzon sah Teddy fragend an. »Komm«, sagte er »schnappen wir uns Misha und suchen die Mäntel. Ich möchte wissen, was da los ist...«
Sie gingen in die Mitte der inzwischen leeren
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