Ruhe Sanft
nicht verkneifen können, und Arleen würde es vermutlich nicht einmal bemerken. »...und ich möchte gern bei einer Freundin vorbeischauen, der es nicht gut geht... Aber danach gehöre ich ganz Ihnen.«
»Wunderbar.« Arleens herzliche Stimme reagierte nicht auf Wetzons Ironie. »Wollen wir halb acht sagen? Bleibt Ihnen da genug Zeit? Wo wohnt Ihre Freundin?«
»An der Upper East Side.« Die Unterhaltung machte sie langsam nervös. Sie wollte sie hinter sich bringen. Das Telefon läutete.
»Meine Liebe, ich höre Ihr Telefon, und ich halte Sie auf. Sagen wir, Le Refuge ? Es ist ganz hübsch, und das Essen...«
»Ich kenne es, Arleen.« Es stimmte, da sie mit einem Runden dort gewesen war, dem Chef einer kleinen Firma, und einer Börsenmaklerin, an der der Kunde interessiert war. Genaugenommen war es ihre Freundin Laura Lee Day gewesen, die jetzt Mäklerin bei Oppenheimer war. Le Refuge hatte den Charme eines Bistros, und das Essen war gut, ordentlich, aber einfallslos. Es war gerade so an der Grenze zum Schnickschnack, wie Carlos und sie die aufgemotzten Lokale nannten, die bei den Yuppies beliebt waren und überall in ihrem New York wie Pilze aus dem Boden schossen.
B. B. klopfte an die Tür, öffnete sie und bedeutete ihr, daß er einen Anruf hatte.
»Dranbleiben«, gab Wetzon ihm stumm zu verstehen.
»Gut«, sagte Arleen lebhaft. »Bis dann.«
»Ja, schön. Wiedersehen«, antwortete Wetzon.
»Ach, noch etwas, Wetzon«, sagte Arleen mit einem eigenartig melodischen Lachen. »Versuchen Sie nicht, sich zu sträuben. Ich möchte, daß wir dicke Freundinnen werden.«
Wetzon nahm sich vor, später über die Beinahe-Dro-hung nachzudenken. Sie sah auf die Uhr und seufzte. Es War beinahe Mittag. »Wer ist auf meiner Leitung, B. B.?« Sie hörte das schwache Geräusch einer Unterhaltung aus dem Hörer, den sie noch in die Nackenbeuge geklemmt hatte.
»Donna Rhodes.«
Wetzon hielt den Hörer ans Ohr und wollte gerade »Hallo, Donna« sagen, als sie zwei Stimmen hörte, die in einer fremden Sprache stritten. Russisch? Ein Mann und eine Frau. Meistens redete die Frau, und aus ihrem Ton konnte man schließen, daß sie wütend war. Die Stimme des Mannes war gedämpft. Sie hatte nicht gewußt, daß Donna russischer Abstammung war... Wetzon warf einen Blick auf das Telefon. Das Warten-Licht blinkte. Verwirrt drückte sie auf >Warten<. »Donna?«
»Tag, Wetzon, wie geht’s dir?«
»Prima, Donna. Kannst du noch eine Sekunde dranbleiben oder soll ich zurückrufen?«
»In Ordnung. Ich warte. Ich habe darüber nachgedacht, was du vor ein paar Wochen gesagt...«
»Ich bin sofort wieder da.« Wetzon legte Donna wieder auf >Warten< und drückte die Leitung, wo sie den Streit auf Russisch gehört hatte. Freizeichen. Sie waren weg. Sie hatte vermutlich die Verbindung unterbrochen, als sie zu Donna umgeschaltet hatte. Wieder einmal eine Überschneidung von Telefonleitungen. Es passierte häufig bei starkem Regen und schlechtem Wetter, als hielten die empfindlichen Signalgeber der starken Feuchtigkeit nicht stand. Und da sie so nahe bei den UN waren, war es verständlich, daß manchmal, wenn sich Leitungen überschnitten, die Sprachen andere als Englisch waren.
Wetzons Gedanken purzelten durcheinander. Oder waren die Leitungen irgendwie nicht getrennt worden, nachdem sie ihr Gespräch mit Arleen Grossman beendet hatte? Und hatte sie mitgehört, wie Arleen Russisch sprach? Russisch mit einer, wie es Wetzon schien, ebenso großen Gewandtheit wie Ilena und Misha Rosenglub.
»Donna, entschuldigen Sie.« Wetzon zog ihre Aktenschublade heraus und blätterte den Buchstaben >R< nach Donna Rhodes’ »Fahndungsbogen« durch.
Die Außentür knallte, und Smith stürmte herein. Sie trat die Bürotür zu und ließ ihren neuen schwarzen Nerzmantel achtlos auf den Stuhl fallen. Sie rührte sich nicht, um ihn festzuhalten, als er auf den Boden rutschte.
»Wetzon«, begann Donna, »ich glaube, ich bin endlich soweit, mich hinzusetzen und zu reden.«
»Endlich!« Wetzon zog Donnas Karteikarte heraus und überflog sie. »Das freut mich, daß Sie über das, was ich Ihnen gesagt habe, nachgedacht haben.« Das wäre ein Knüller, wenn sie jemanden von Donnas Kaliber zu Vorstellungsgesprächen schicken könnte.
»Sie arbeiten so professionell, daß ich kein Interesse habe, mich an irgend jemand anderen zu wenden, deshalb meine ich, wir sollten uns treffen.«
Smith versuchte, Wetzon mit ausholenden Handbewegungen auf sich aufmerksam zu
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