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Ruhe unsanft

Ruhe unsanft

Titel: Ruhe unsanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verdächtigt werden, oder ein gefährlicher Verbrecher auf freiem Fuß ist, der wieder zuschlagen könnte. Aber wenn eine G e schichte so weit zurückliegt wie diese, entfallen solche Gründe. Wahrscheinlich ist es nie als Mord erkannt wo r den, denn sonst hätten Sie schnell genug von Ihrem alten Gärtner oder anderen Einheimischen etwas darüber g e hört. Mord verjährt nie, wenigstens nicht in den Erzä h lungen der Leute, die ihn aus der Nähe miterlebt haben. Nein, die Leiche muss irgendwie spurlos beseitigt worden sein, sodass nie ein Verdacht aufkam. Halten Sie es unter diesen Umständen wirklich für klug, die Vergangenheit wieder auszugraben?«
    »Das klingt ja, als machten Sie sich Sorgen um uns!«, rief Gwenda.
    »So ist es, meine Liebe. Sie beide sind ein so nettes und charmantes junges Paar, erst seit Kurzem verheiratet und glücklich. Darum bitte ich Sie inständig, nicht an alte Dinge zu rühren, die – wie soll ich es ausdrücken –, die Sie aufregen und betrüben könnten.«
    Gwenda starrte sie entgeistert an. »Denken Sie an etwas oder jemand – Bestimmtes? Was wollen Sie damit ande u ten?«
    »Ich spiele auf gar nichts an, ich möchte Ihnen nur e i nen Rat geben, denn in meinem langen Leben habe ich schon viele erschreckende menschliche Reaktionen ke n nen gelernt. Lassen Sie die Finger davon!«
    »Darum geht es jetzt nicht mehr.« Auch Giles war ernst geworden. ›»Hillside‹ ist Gwendas und mein Haus, und wenn in unserem Haus einst ein Mord geschehen ist oder wir es annehmen müssen, gedenke ich es nicht tatenlos auf sich beruhen zu lassen, selbst wenn es angeblich ach t zehn Jahre her ist!«
    Miss Marple seufzte. »Entschuldigen Sie. Vermutlich würden die meisten mutigen jungen Männer empfinden wie Sie. Ich kann Sie verstehen und bewundere Sie. Aber ich wünschte – ja, ich wünschte wirklich –, Sie würden nicht daran rühren.«
     
    Am folgenden Tag verbreitete sich in St. Mary Mead rasch die Kunde, dass Miss Marple wieder da sei. Um elf Uhr vormittags wurde sie in der Hauptstraße gesehen. Zehn Minuten vor zwölf machte sie eine Visite im Pfar r haus. Am Nachmittag besuchten sie drei Klatschtanten des Ortes, um Miss Marples Eindrücke von dem schönen London zu erfahren und um – nachdem der Höflichkeit Genüge getan war – des Langen und Breiten die Probl e me anlässlich des bevorstehenden Wohltätigkeitsbasars zu schildern. Wohin mit dem Handarbeitsstand, und wer sollte die Teebude übernehmen? Gegen Abend konnte man Miss Marple wie gewöhnlich in ihrem Garten sehen, wo ihre Aufmerksamkeit ausnahmsweise mehr den Ve r heerungen durch das Unkraut als den Aktivitäten ihrer Nachbarn galt. Auch während ihres einfachen Abende s sens hörte sie nur zerstreut dem lebhaften Bericht ihres kleinen Dienstmädchens Evelyn über die letzten Erei g nisse in der Dorfapotheke zu. Zerstreut blieb sie auch am nächsten Tage in einem Grade, dass es mehreren Leuten, darunter sogar der Pfarrersfrau, auffiel. Abends ging Miss Marple mit den Worten, sie fühle sich nicht ganz wohl, früh zu Bett, und am nächsten Morgen bat sie Dr. Ha y dock zu sich.
    Dr. Haydock war seit langen Jahren Miss Marples Arzt, Freund und Verbündeter. Er nahm ihre Klagen über ve r schiedene Krankheitssymptome ernsthaft entgegen, u n tersuchte sie, lehnte sich dann im Sessel zurück und de u tete spielerisch mit dem Stethoskop auf sie.
    »Für Ihr Alter und trotz Ihrer täuschend zerbrechlichen Erscheinung sind Sie bemerkenswert gut auf dem Damm.«
    »Ich weiß, dass ich eine robuste Konstitution habe«, erwiderte Miss Marple. »Trotzdem muss ich gestehen, dass ich mich ein bisschen überanstrengt fühle – ziemlich erledigt.«
    »Sie haben sich zu viel herumgetrieben. In London i m mer zu lange aufgeblieben…«
    »Ja, natürlich. London ist heutzutage etwas ermüdend. Diese schlechte verbrauchte Luft! Mit frischer Seeluft nicht zu vergleichen.«
    »Hier in St. Mary Mead haben wir auch noch unverdo r bene Landluft.«
    »Leider ist es oft feucht oder schwül. Nicht gerade stä r kend, wenn ich so sagen darf.«
    Dr. Haydock betrachtete sie mit aufkeimendem Verst e hen. »Ich werde Ihnen ein Stärkungsmittel verschreiben«, versprach er entgegenkommend.
    »Danke, Doktor. Ich nehme immer Eastons Sirup – der hilft, und außerdem habe ich ja noch meine ›Violet Pasti l les‹.«
    »Meine Liebe, das Rezeptschreiben sollten Sie mir übe r lassen!«
    »Ich dachte…« Miss Marple schaute mit arglosen bla u en Augen zu ihm

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