Ruhelos
geschlafen, Romer war aufmerksam und liebevoll zu ihr gewesen. Am Sonntag machten sie einen Spaziergang im Central Park, gingen nach einem Brunch im Plaza ins Hotel zurück und liebten sich. Am Abend kehrte sie in ihr Apartment zurück. Sylvia hatte sie schon erwartet und war vorgewarnt: Du brauchst nicht zu sprechen, sagte sie, lass dir Zeit, ich bin da, wenn du mich brauchst. Eva konnte sich erholen, all die bohrenden Fragen in ihrem Kopf waren zur Ruhe gekommen, bis Morris Devereux’ Aufforderung sie von neuem aufrührte. Sie erzählte ihm dasselbe, was sie Romer erzählt hatte, ohne etwas auszulassen. Devereux hörte gespannt zu und machte kurze Notizen in einen Block, der vor ihm lag – Daten und Uhrzeiten.
Als sie fertig war, schüttelte er ungläubig den Kopf. »Und dann ist so ein Riesending draus geworden. Phantastisch. Besser als der Belmonte-Brief. Besser als die Brasilien-Karte.«
»Das klingt ja wie ein machiavellistisches Komplott«, sagte sie. »Aber es gab keinen Plan. Alles ist spontan passiert, aus einer Eingebung heraus. Ich hab nur versucht, Spuren zu verwischen, mir ein bisschen Vorsprung zu verschaffen, Leute irrezuführen. Ich hatte keinen Plan«, beharrte sie.
»Vielleicht trifft das für alle großen Aktionen zu«, sagte er. »Wenn der Zufall hineinspielt, entsteht etwas völlig Neues und Bedeutendes.«
»Vielleicht. Aber ich bin verraten worden, Morris«, wandte sie mit provozierender Härte ein. »Würdest du das nicht auch sagen?«
Er verzog das Gesicht. »Wenn du mich fragst, würde ich sagen, es sieht ganz danach aus.«
»Was mir nicht aus dem Sinn geht, ist der Plan, den sie verfolgen«, sagte sie. »Und der beschäftigt mich viel mehr als die Tatsache, dass ich ihn irgendwie durch Glück und Zufall durchkreuzt und in unseren sogenannten Triumph verwandelt habe. An dem bin ich nicht interessiert. Ich sollte tot aufgefunden werden, in der Wüste. Mit einer verpfuschten Mexiko-Karte und fünftausend Dollar in der Tasche. Das war der eigentliche Plan. Aber warum? Was steckt dahinter?«
Er schaute sie verblüfft an, als ihm die Logik ihrer Worte aufging. »Gehen wir’s noch einmal durch«, sagte er. »Wann hast du die zwei Krähen in Denver zum ersten Mal gesehen?«
Sie gingen die Abfolge der Ereignisse ein weiteres Mal durch, und jetzt spürte sie, dass sich Morris auf etwas anderes bezog, etwas, was er ihr nicht sagen konnte – noch nicht.
»Wer hat mich geführt, Morris?«
»Ich war es. Ich hab dich geführt.«
»Und Angus und Sylvia.«
»Aber unter meiner Aufsicht. Es war mein Kommando.«
Sie blickte ihn scharf an. »Also müsste ich dir sehr misstrauen.«
»Ja«, sagte er nachdenklich, »danach sieht es aus.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich würde mir selber auch misstrauen. Du hast die Krähen in Denver abgeschüttelt. Hundert Prozent?«
»Hundert Prozent.«
»Aber dann haben sie in Las Cruces auf dich gewartet.«
»Dass ich nach Las Cruces fahren würde, wusste ich doch erst, nachdem es mir der Mann in Albuquerque gesagt hatte. Ich hätte überallhin fahren können.«
»Dann hat er dich in die Falle gelockt.«
»Der war nur ein Laufbursche. Ein kleiner Kurier.«
»Die Krähen in Denver waren auch nur kleine Schnüffler.«
»Da bin ich mir sicher. Standardbesetzung FBI.«
»Was mich auf den Gedanken bringt«, sagte Morris und nahm die Arme wieder herunter, »dass die Krähen in Las Cruces keine Standardbesetzung waren.«
»Wie meinst du das?« Jetzt wurde sie hellhörig.
»Sie waren verdammt gut. Zu gut für dich.«
Das war etwas, woran sie nicht gedacht hatte. Auch Romer nicht. Denver und Las Cruces, das waren für sie Start- und Endpunkt ein und derselben Operation gewesen. Devereux’ Gedanke implizierte nun, dass dort zwei Operationen nebenher liefen, gleichzeitig, unabhängig voneinander.
»Zwei verschiedene Kommandos? Das eine unfähig, das andere clever? So ein Unsinn.«
Devereux hob die Hand. »Halten wir uns doch an die Hypothese und kümmern wir uns nicht um das Ergebnis. Haben sie dir das in Lyne nicht beigebracht?«
»Wenn sie wirklich so gut waren, hätten sie mir nicht auflauern müssen«, sagte sie nach kurzer Überlegung. »Dann hätten sie mich von New York an im Auge behalten.«
»Möglich. Genau.«
»Aber wer hat das zweite Kommando geschickt, wenn nicht das FBI?« In ihrem Kopf herrschte mal wieder Aufruhr. Fragen, Fragen, Fragen, aber keine Antworten. »Der Bund? America First? Private
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