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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Auftraggeber?«
    »Du suchst schon wieder nach der Lösung. Spielen wir die Sache erst mal durch. Sie wollten deine Leiche. Dich mit der Karte im Gepäck. Du wärst als britische Spionin identifiziert worden, weil dir das FBI seit New York auf den Fersen war. Obwohl du sie abgeschüttelt hast.«
    »Aber wo ist der Sinn? Was sollten sie mit einer toten britischen Agentin?«
    Jetzt machte Morris das gequälte Gesicht. »Du hast recht. Die Sache geht nicht auf. Irgendwas fehlt da …« Er sah aus wie ein Mann, der die Wahl zwischen mehreren unguten Optionen hat.
    Eva versuchte einen neuen Vorstoß: »Wer wusste, dass ich in Las Cruces war?«
    »Ich, Angus, Sylvia.«
    »Romer?«
    »Nein. Der war in England. Er wusste nur von Albuquerque.«
    »Raul wusste es«, sagte Eva. »Und der Mann in Albuquerque. Also noch mehr Leute außer euch dreien …« Ihr kam ein Gedanke: »Wieso eigentlich wusste de Baca, dass ich im Motor Lodge war? Niemand außer mir konnte das wissen – du nicht, Angus nicht, Sylvia nicht. Ich habe getrickst, getäuscht, Haken geschlagen, alles, was nur ging. Ich wurde nicht beschattet. Das schwöre ich.«
    »Es muss aber so sein«, beharrte er. »Überleg doch mal: Ebendeshalb hatten die in Las Cruces nichts mit denen in Denver zu tun. Sie haben mehrere Leute auf dich angesetzt oder dir aufgelauert. Ein ganzes Kommando – vier, fünf Mann. Und sie waren gut.«
    »In dem roten Coupé saß eine Frau«, erinnerte sich Eva. »Vielleicht habe ich nicht genug auf Frauen geachtet.«
    »Was ist mit dem Portier vom Alamogordo Inn? Er wusste, dass du abreist.«
    Sie dachte nach: Dieser kleine Giftzwerg an der Rezeption? Und entsann sich einer Weisheit aus Lyne: Die Besten sind oft die, denen man es am wenigsten zutraut. Vielleicht auch Raul. Albino-Raul, der Portier, das Pärchen im Coupé – ein Kommando, meinte Morris – und noch zwei andere, die sie nicht gesehen hatte. Und wer waren die Männer, denen de Baca beim Verlassen des Motor Lodge ein Zeichen gegeben hatte? Plötzlich kam ihr die Sache schon plausibler vor. Sie musterte Morris, der gedankenverloren an seiner Unterlippe zupfte. Will er mir nicht etwas einreden?, fragte sie sich. Sind das seine intelligenten Überlegungen, oder will er mich manipulieren? Sie brach die Überlegung ab. Jetzt drehte sich schon alles im Kreis.
    »Ich denke weiter darüber nach«, sagte sie. »Ich ruf dich an, wenn ich eine Erleuchtung habe.«
    Beim Rückweg ins Büro fiel ihr ein, was der Portier bei der Anmeldung im Alamogordo Inn zu ihr gesagt hatte: Sind Sie sicher, dass Sie hier wohnen wollen? Außerhalb der Stadt gibt es nettere Hotels. Hatte er ihr absichtlich einen Gedanken eingeträufelt? Nein, dachte sie, das ist absurd – langsam wurde sie verrückt.
     
    Am Abend briet Sylvia ein Steak für sie, und sie öffneten eine Flasche Wein.
    »Das ganze Büro summt vor Aufregung«, meinte sie, um etwas aus Eva herauszubekommen. »Sie sagen, du bist der große Star.«
    »Ich werd’s dir erzählen, das verspreche ich«, sagte Eva. »Ich hab es nur selbst noch nicht annähernd begriffen.«
    Gerade als sie ins Bett gehen wollte, rief Morris Devereux an. Er klang aufgeregt, nervös – von seiner gewohnten Gelassenheit war nichts mehr zu spüren.
    »Kannst du sprechen?«, fragte er.
    Eva vergewisserte sich mit einem Blick, dass Sylvia den Tisch abräumte und nicht mithörte. »Ja. Kein Problem.«
    »Tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber etwas beschäftigt mich, und nur du kannst mir eine Antwort darauf geben.«
    »Und was ist das?«
    »Warum hast du Raul die Karte nicht einfach übergeben?«
    »Wie bitte?«
    »Ich meine: Das war dein Auftrag, oder nicht? Du solltest Raul einfach ein ›Päckchen‹ übergeben, zusammen mit dem Geld.«
    »Ja.«
    »Und warum hast du es nicht getan?«
    Sie blickte sich um, in der Küche klapperte Geschirr.
    »Weil ich die Karte geprüft habe und fand, dass sie verpfuscht war. Minderwertige Ware – irgendwas war faul an der Sache.«
    »Hat dir jemand aufgetragen, die Ware zu prüfen?«
    »Nein.«
    »Warum hast du’s dann getan?«
    »Weil … weil ich dachte, ich müsste …« Jetzt stellte sie sich die Frage selbst: Es war eine reine Instinktentscheidung gewesen. »Ich wollte einfach nichts falsch machen.«
    Er wurde still. Nach einer Sekunde fragte sie: »Hallo, bist du noch da?«
    »Ja«, erwiderte er. »Die Sache ist die: Hättest du die Ware an Raul übergeben, wie es deinem Auftrag entsprach, wäre nichts von alledem passiert.

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