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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Verstehst du nicht? Es ist alles nur deshalb so gekommen, weil du nicht getan hast, was du solltest.«
    Eva dachte nach. Sie konnte nicht erkennen, worauf er hinauswollte.
    »Ich kann dir nicht folgen«, sagte sie. »Willst du damit sagen, dass das irgendwie alles meine Schuld ist?«
    »Jesus Maria!«, sagte er plötzlich atemlos.
    »Morris? Alles in Ordnung?«
    »Jetzt begreife ich …«, sagte er beinahe zu sich selbst. »Mein Gott. Ja …«
    »Was begreifst du?«
    »Morgen muss ich ein paar Recherchen machen. Sehen wir uns morgen. Morgen Nachmittag.« Als Treffpunkt nannte er ein Kino am Broadway, ein wenig nördlich des Times Square, das rund um die Uhr Trickfilme und Wochenschauen zeigte.
    »Um vier ist es dort immer leer«, sagte er. »Setz dich in die letzte Reihe. Ich finde dich dann.«
    »Was ist denn, Morris? Du kannst mich doch nicht so hinhalten!«
    »Ich muss ein paar sehr diskrete Nachforschungen anstellen. Sag niemandem etwas. Ich fürchte, es ist ernst.«
    »Und ich dachte, alle wären gespannt wie die Flitzbogen.«
    »Meine Vermutung geht dahin, dass es sich bei dem Kommando in Las Cruces um unsere Freunde in Grau handeln könnte.«
    Unsere Freunde in Grau, das war der »Deutsch-Amerikanische Volksbund«.
    »Leute von dort?«
    »Nein, von weiter her.«
    »Mein Gott.«
    »Sag nichts. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.«
    Sie legte auf. In Wirklichkeit redete Morris vom SD – dem Sicherheitsdienst. Kein Wunder, dass er nervös war – wenn das stimmte, dann hatten die Deutschen einen ihrer Leute in der BSC, im sensibelsten Bereich der Operation.
    »Wer war das?«, fragte Sylvia von der Küche her. »Willst du Kaffee?«
    »Ja, bitte. Es war Morris. Ein Problem in der Buchhaltung.«
    »Ach ja?« Sie wussten immer, wann sie sich belogen, nahmen es aber nicht übel. Sylvia registrierte nur das Ungewöhnliche der Situation. Morris musste schon sehr nervös sein, wenn er in dieser Weise auf sich aufmerksam machte. Sie tranken ihren Kaffee, hörten noch ein bisschen Musik im Radio und gingen zu Bett. Eva war fast schon eingeschlafen, als sie zu hören glaubte, dass Sylvia einen kurzen Anruf machte. Sie fragte sich, ob sie ihr von Morris’ Verdacht hätte erzählen sollen, entschied aber, dass es besser war, Vermutungen zu untermauern oder zu widerlegen, bevor man sie mit anderen teilte. Während sie dalag, ging ihr das Telefongespräch noch einmal durch den Kopf: Morris hatte in den Geschehnissen von Las Cruces etwas entdeckt, was sie nicht sah oder sehen konnte. Sollte sie nicht vielleicht doch etwas von dem morgigen Treffen mitteilen – als Sicherheit? Aber sie entschied sich dagegen und wollte erst einmal abwarten, was Morris zu sagen hatte. Aus irgendeinem Grund traute sie ihm, und ein solches Vertrauen, das wusste sie nur zu gut, war der schwerste Fehler, den man machen konnte.
     
    Aber am nächsten Morgen im Büro war keine Spur von Morris, selbst mittags ließ er sich nicht blicken. Eva arbeitete an einer Fol gestory zur Mexiko-Karte, die von einer neuen Generation viermotoriger deutscher Passagierflugzeuge handelte – Weiterentwicklungen des Seeaufklärers Condor Fw 200 –, die eine Reichweite von zweitausend Meilen hatten, mehr also, als man brauchte, um den Atlantik zwischen Westafrika und Südamerika zu überqueren. Wenn sie die Meldung, dass eine argentinische Fluglinie sechs dieser Maschinen bestellt hatte, in einer spanischen Zeitung unterbringen konnte – El Diario oder Independiente –, dann konnte diese Story Beine bekommen.
    Sie brachte den Entwurf zu Angus, der neuerdings immer öfter bei Transoceanic zu sitzen schien und immer seltener bei seinem Sender.
    Angus überflog den Text.
    »Was hältst du davon?«, fragte sie.
    Er wirkte zerstreut, nicht besonders freundlich, und sie bemerkte, dass sein Aschenbecher voller Zigarettenstummel war.
    »Warum in Spanien?«
    »Es ist besser, die Sache dort anzufangen, damit Argentinien dementieren kann. Die Meldung kriegt größere Verbreitung, wenn sie von Spanien ausgeht und dann in Südamerika aufgegriffen wird. Danach können wir es vielleicht hier in den USA versuchen.«
    »Existieren diese Pläne?«
    »Die Condor existiert.«
    »In Ordnung. Klingt gut. Viel Glück.« Er griff wieder nach der Zigarettenschachtel – offenbar war ihm alles egal.
    »Hast du zufällig Morris gesehen?«, fragte sie.
    »Er sagte, dass er heute den ganzen Tag im Rockefeller Center ist – irgendwas recherchieren.«
    »Stimmt etwas nicht, Angus? Hast du

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