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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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System Blau.«
    System Blau bedeutete höchste Gefahrenstufe.
    »Wo ist Morris?«, fragte sie und versuchte, die Nerven zu behalten, ganz ruhig und gefasst zu scheinen, dabei wusste sie die Antwort schon.
    »Morris ist tot«, sagte Angus. »Er hat sich umgebracht.« Sie sah ihm an, dass er geschockt war: Schließlich waren die beiden seit vielen Jahren Freunde und Kollegen gewesen, schon lange vor ihrem Einstieg beim AAS.
    Ihr Mund wurde trocken, wie von innen ausgesaugt. »0 mein Gott«, sagte sie.
    »Verschwinde lieber, Eve«, wiederholte Angus. »Hier ist die Kacke am Dampfen.«
    Da kam Romer aus dem Apartment. Er wollte die Polizisten ansprechen, warf einen Blick in den Korridor und entdeckte sie. Er schwenkte um und lief auf sie zu.
    »Was machst du hier?«
    »Ich hatte mich mit Morris auf einen Drink verabredet«, sagte sie. »Weil er nicht kam, bin ich zu ihm.«
    Romers Gesicht war unbewegt, fast leer, als hätte er Evas Auftauchen noch nicht verarbeitet.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Tabletten und Whisky. Fenster und Türen verrammelt. Ein Brief ohne Sinn. Irgendwas über einen Jungen.«
    »Warum?«, fragte Eva unwillkürlich, ohne zu denken.
    »Wer weiß? Wie gut kennen wir uns schon?« Romer wandte sich an Angus. »Ruf noch mal die Zentrale an. Hier brauchen wir einen von oben.« Angus hinkte davon, und Romers Blick heftete sich wieder auf sie.
    »Wie bist du hier reingekommen?«, fragte er, seine Stimme klang frostig. »Warum hat der Portier nicht angerufen?«
    Eva merkte, dass sie einen Fehler gemacht hatte: Sie hätte zum Portier gehen müssen, statt sich an ihm vorbeizumogeln. Das wäre normal gewesen, die unverdächtige Art, nach einem Freund zu sehen, wenn er nicht zur Verabredung kam.
    »Er war beschäftigt, also bin ich an ihm vorbei.«
    »Oder hast du nach Elizabeth Wesley gesucht?«
    »Nach wem?«
    Romer lachte auf. Ihr wurde klar, dass er zu clever war – und sie zu gut kannte.
    Der Blick, mit dem Romer sie anschaute, war kalt. »Die Umsicht und Tatkraft unserer Miss Dalton darf man nicht unterschätzen, eh?«
    Da wusste sie es.
    Sie spürte ein Schrillen in den Ohren, es klang wie eine Alarmsirene. Sie berührte seinen Arm.
    »Lucas«, sagte sie sanft. »Ich muss dich sehen, heute noch. Ich will bei dir sein.«
    Etwas anderes konnte sie nicht sagen, es war der reine Instinkt. Sie brauchte ein paar Sekunden Zeit, bevor er alles durchschaute.
    Er warf einen Blick über die Schulter zu den Polizisten. »Unmöglich«, sagte er. »Nicht heute.«
    Sie nutzte die Sekunden, um zu überlegen: Er weiß, dass ich mit Morris gesprochen habe. Er weiß, dass Morris mir etwas gesagt hat und ich deshalb heimlich zu ihm wollte. Er glaubt, ich verfüge über die entscheidende Information, und kalkuliert meine Gefährlichkeit. Sie sah seinen Ausdruck wechseln, als er sich wieder zu ihr umdrehte, und konnte beinahe hören, wie es in ihren Köpfen arbeitete – wie zwei überlastete Motoren, die in entgegengesetzte Richtungen strebten.
    »Bitte«, sagte sie. »Du fehlst mir.« Vielleicht wird er weich, dachte sie, das Flehen seiner Geliebten. Letzte Nacht haben wir uns noch geliebt – es könnte ihn ja für fünf Minuten erweichen.
    »Sieh mal … na, vielleicht«, sagte er. Er griff nach ihrer Hand, presste sie und ließ sie wieder los. »Stephenson will dich sprechen. Es könnte sein, dass Roosevelt nächste Woche in einer Rede deine Karte erwähnen wird – am zehnten. Stephenson will dir persönlich gratulieren.«
    Das ist so abwegig, dass es schon wieder stimmen kann, dachte sie.
    »Stephenson, mich sprechen?«, wiederholte sie ungläubig. Das kam ihr unfassbar vor. William Stephenson war die BSC in Person, sie war seine Schöpfung, von A bis Z, mit Haut und Haar, mit Fleisch und Knochen.
    »Du bist unser großer Star«, sagte Romer und blickte dabei auf die Uhr. »Ich muss erst noch diesen Schlamassel beseitigen. Warte um zehn vor deinem Haus. Ich hole dich ab.« Er lächelte. »Und zu Sylvia kein Wort. Verstanden?«
    »Dann bis zehn«, sagte sie. »Und hinterher könnten wir …«
    »Ich denke mir was aus. Hör zu, jetzt verschwinde lieber, bevor die Polizei deinen Namen notiert.«
    Er ließ sie stehen und ging auf die Polizisten zu.
    Im Fahrstuhl begann Eva zu rechnen. Sie schaute auf die Uhr; es war zwanzig Uhr fünfundvierzig. Um zehn würde Romer sie vor ihrem Haus erwarten. Wenn sie nach fünf Minuten nicht auftauchte, würde er wissen, dass sie auf und davon war. Ihr blieb etwas mehr als eine

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