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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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lassen – so hielten es alle Untergebenen von Romer, wie Eva nun feststellte. Was sie verband, war ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das Bewusstsein, zu einer kleinen Elite zu gehören – das ließ sich nicht leugnen –, aber das war nur Fassade. Niemand zeigte sich wirklich offen und unverstellt; sie versuchten, ihre Gespräche auf belanglose Bemerkungen, auf nichtssagende Allgemeinheiten zu beschränken – genaue Auskünfte über ihre Vergangenheit, über ihr Leben vor Romer waren nicht zu bekommen.
    Morris sagte zu ihr: »Dein Französisch ist hervorragend. Erstklassig.«
    Und Eva erwiderte: »Ja, ich habe eine Weile in Paris gelebt.«
    Im Gegenzug fragte sie Morris, wie lange er Romer schon kannte. »Oh, schon etliche Jahre«, bekam sie zu hören, und seinem Tonfall entnahm sie, dass es nicht angebracht war, nachzufragen, ja dass sie sich damit sogar verdächtig machen konnte. Morris nannte sie »Eve«, und erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass er sicher ganz anders hieß, dass der Name »Morris Devereux« genauso falsch war wie »Eve Dalton«. Sie musterte ihn von der Seite, als sie Richtung Küste fuhren, sein markantes Profil wurde vom Armaturenbrett angestrahlt, und zum ersten Mal befiel sie ein dumpfes Gefühl des Bedauerns, dass dieser seltsame Job, auch wenn sie alle miteinander am selben Strang zogen, unweigerlich dazu führte, dass am Ende jeder isoliert und für sich blieb.
    Morris setzte sie vor ihrem Haus ab, sie sagte gute Nacht und stieg die Treppe zu ihrer Etage hinauf. Dort sah sie Sylvias blaues Kärtchen unter dem Türpfosten hervorschauen. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und wollte gerade aufschließen, als sich die Tür von innen öffnete. Vor ihr stand Romer, mit einem etwas frostigen Lächeln, wie ihr schien, und die hinter ihm auftauchende Sylvia vollführte irgendwelche erschrockenen Gesten, die Eva nicht recht deuten konnte.
    »Sie waren aber lange weg«, sagte er. »Haben Sie nicht den Wagen genommen?«
    »Doch«, erwiderte Eva und ging in das kleine Wohnzimmer. »Auf dem Rückweg hat es geregnet. Ich dachte, Sie mussten nach London.«
    »Da war ich auch. Und was ich dort erfahren habe, hat mich zur sofortigen Rückkehr bewogen. Die Luftfahrt ist eine wunderbare Erfindung.« Er ging zum Fenster, wo er seine Tasche abgestellt hatte.
    »Er ist seit zwei Stunden hier«, flüsterte Sylvia und verzog das Gesicht, während sich Romer bückte, in seiner Tasche wühlte und sie dann verschloss. Er richtete sich wieder auf.
    »Packen Sie Ihre Reisetasche«, sagte er zu Eva. »Sie fahren mit mir nach Holland.«
     
    Prenslo war ein gesichtsloses Kaff an der deutsch-holländischen Grenze. Aber die Fahrt dorthin erwies sich als unerwartet schwierig und nervenraubend. Sie fuhren mit dem Zug von Ostende nach Brüssel, wo sie in den Zug nach Den Haag umstiegen. Am dortigen Hauptbahnhof übergab ihnen ein Mann von der britischen Botschaft einen Wagen. Romer fuhr mit Eva weiter ostwärts Richtung Grenze, nur dass er sich auf den kleinen Landstraßen zweimal verfuhr und über eine halbe Stunde brauchte, um zum richtigen Weg zurückzufinden. Um vier Uhr morgens kamen sie in Prenslo an und mussten feststellen, dass Hotel Willems, in dem Romer Zimmer gebucht hatte, dunkel und fest verschlossen war und niemand auf ihr Klingeln, Klopfen und Rufen reagierte. Also waren sie gezwungen, bis sieben Uhr im Auto auf dem Parkplatz zu warten, als ein verschlafener Bursche im Bademantel die Hoteltür aufschloss und sie endlich, aber keineswegs freundlich hineingelassen wurden.
    Auf der Fahrt hatte Eva wenig gesprochen, absichtlich, und Romer war ihr noch verschlossener und in sich versunkener vorgekommen als sonst. Irgendetwas an seinem Verhalten ging ihr gegen den Strich, sie hatte das Gefühl, dass er sie bevorzugte und verwöhnte, damit sie ein besonderes Privileg darin erblickte, vom »Chef« auf diese mysteriöse Nachtfahrt mitgenommen zu werden, also verhielt sie sich pflichtgemäß und klagte nicht. Aber das dreistündige Warten auf dem Hotelparkplatz und die erzwungene Zweisamkeit hatte Romer gesprächiger gemacht, und er hatte ihr ein wenig ausführlicher erzählt, was sie in Prenslo vorhatten.
    Bei seiner kurzen London-Reise hatte Romer erfahren, dass für den nächsten Tag ein SIS-Einsatz in Prenslo geplant war. Ein General vom Oberkommando der Wehrmacht wollte die britische Haltung sondieren – für den Fall, dass es zu einem Armeeputsch gegen Hitler kam. Offenbar ging es nicht darum, Hitler zu

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