Ruhelos
Willems.
»Ich möchte, dass Sie ins Gasthaus gehen und Frühstück bestellen«, sagte Romer. »Sprechen Sie Französisch und, wenn es Englisch sein muss, gebrochen und mit Akzent. Fragen Sie, ob Sie ein Zimmer für die Nacht bekommen, oder was immer. Verschaffen Sie sich einen Eindruck von dem Lokal, verweilen Sie ein bisschen, schauen Sie sich um, sagen Sie, sie kommen zum Mittagessen wieder. In einer Stunde etwa erwarte ich Sie hier zum Rapport.«
Während der Ortsbesichtigung mit dem Feldstecher hatte Eva ihre Müdigkeit gespürt, schließlich war sie seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen, aber jetzt, als sie durch die Hauptstraße von Prenslo zum Café Backus lief, fühlte sie sich wieder frisch und voller Adrenalin. Sie schaute sich gelassen um, registrierte die Passanten, einen vorbeifahrenden Lastwagen mit Milchkannen, Schulkinder in förstergrünen Uniformen.
Im Café Backus bestellte sie ihr Frühstück – Kaffee, zwei gekochte Eier, Brot und Schinken – und aß allein im großen Speiseraum, der an die Glasveranda grenzte. Die junge Serviererin sprach nicht Französisch. Aus der Küche hörte Eva Tellerklappern und Gesprächsfetzen. Zwei junge Männer kamen aus einer Flügeltür und gingen hinaus auf den Vorplatz. Sie trugen Anzug und Krawatte, der eine hatte trotz seiner Jugend eine Glatze, der andere einen militärisch wirkenden Bürstenschnitt. Eine Weile standen sie an den Zapfsäulen herum, sie gingen hinüber zur Zollschranke und blickten die Straße hinauf, dann kamen sie wieder herein, warfen einen flüchtigen Blick auf Eva, die sich gerade Kaffee nachschenken ließ. Die Flügeltür pendelte hinter ihnen aus.
Eva fragte nach einem Zimmer, erhielt aber die Auskunft, dass die Zimmer nur im Sommer vermietet würden. Darauf erkundigte sie sich nach der Toilette, verfehlte absichtlich den Weg und stieß die Flügeltür auf. Vor ihr lag ein großer Konferenzraum, dessen Tische im Quadrat aufgestellt waren. Der Glatzköpfige saß, mit spitz ausladenden Ellbogen und Knien, auf einem Stuhl und schaute unter seine Schuhsohle. Der andere fuchtelte mit einem imaginären Tennisschläger und übte einen Aufschlag. Sie blickten sich träge um, und Eva zog sich zurück. Die Kellnerin zeigte ihr den richtigen Weg durch den Korridor, den sie mit schnellem Schritt einschlug.
Dort entriegelte sie das kleine Milchglasfenster und rüttelte so lange am Griff, bis es sich öffnen ließ und den Blick auf den Parkplatz mit den Schaukeln, der Wippe und dem dahinter liegenden Kiefernwald freigab. Sie schloss das Fenster, ohne den Riegel vorzulegen.
Wieder im Hotel Willems, erzählte sie Romer von den zwei Männern und dem Konferenzzimmer. Die Nationalität konnte ich nicht erkennen, sagte sie, ich habe sie nicht sprechen hören – vielleicht Deutsche oder Holländer, aber Engländer bestimmt nicht. In ihrer Abwesenheit hatte Romer ein paar Anrufe getätigt: Das Treffen mit dem General war für vierzehn Uhr dreißig geplant. In Begleitung der zwei britischen Agenten würde ein holländischer Geheimdienstoffizier erscheinen, ein Leutnant Joos, und Eva, so Romer, sollte Kontakt zu ihm aufnehmen. Er gab ihr einen Zettel mit dem doppelten Losungswort, dann nahm er ihn ihr wieder weg und zerriss ihn in kleine Schnipsel.
»Warum soll ich Kontakt zu Leutnant Joos aufnehmen?«
»Damit er weiß, dass Sie auf seiner Seite sind.«
»Wird es gefährlich?«
»Sie sind ein paar Stunden vor ihm im Gasthaus gewesen und daher in der Lage, ihm alles Verdächtige mitzuteilen. Er kommt unvorbereitet zu dem Treffen und wird sehr froh sein, dass Sie vor ihm da waren.«
»Verstanden.«
»Könnte sein, dass er nicht mal Fragen stellt. Die scheinen die ganze Sache sehr locker zu nehmen. Aber halten Sie die Augen offen, beobachten Sie alles sehr genau und berichten Sie mir dann bis ins letzte Detail.« Romer gähnte. »Jetzt will ich ein bisschen schlafen, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
Auch Eva versuchte zu schlafen, aber in ihrem Kopf arbeitete es unablässig. Sie spürte eine seltsame Erregung: Das war etwas Neues, mehr noch, es wurde ernst – deutsche und britische Agenten, Geheimverhandlungen mit einem deutschen General –, wie lächerlich dagegen das Abschütteln von Verfolgern in der Princes Street.
Um dreizehn Uhr lenkte sie ihre Schritte erneut ins Café Backus, wo sie Mittagessen bestellte. Drei ältere Paare saßen schon in der Veranda bei ihrer Mahlzeit. Eva setzte sich in den Gastraum, gegenüber der
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