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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Schwingtür, und bestellte ein ganzes Menü, obwohl sie nicht den geringsten Hunger verspürte. Um das Gasthaus herum ging es schon viel lebhafter zu. Autos hielten zum Tanken, und im Fenster spiegelte sich die schwarz-weiße Grenzschranke, die sich hob und senkte, während Autos und Lastwagen in beiden Richtungen passierten. Die beiden jungen Männer ließen sich nicht blicken, aber als sie zur Toilette ging, sah sie einen schwarzen Mercedes-Benz, der neben den Schaukeln und der Wippe parkte.
    Dann, sie hatte gerade ihr Dessert bestellt, kam ein hochgewachsener Mann mit Halbglatze und eng tailliertem dunklem Anzug herein und betrat, nachdem er ein paar Worte mit dem Wirt gewechselt hatte, den Konferenzraum durch die Schwingtür. Sie fragte sich, ob das Leutnant Joos war; er hatte sie nicht eines Blickes gewürdigt.
    Kurz darauf traten zwei weitere Männer ein, die britischen Agenten, wie Eva sofort erriet. Der eine war dicklich und trug einen Blazer, der andere war schlank, mit Bärtchen, und trug einen Tweedanzug. Jetzt kam Joos heraus und sprach mit den beiden: Offenbar herrschte Ratlosigkeit und Verwirrung; alle konsultierten ihre Armbanduhren. Joos ging wieder hinein und kehrte mit dem Glatzköpfigen zurück, es folgte ein kurzer Wortwechsel, und die beiden Briten folgten dem Glatzköpfigen in den Konferenzraum. Joos nahm draußen Aufstellung wie ein Hausmeister oder der Türhüter eines Nachtclubs.
    Mittlerweile saß nur noch ein Pärchen in der Veranda, die Frau löffelte Kaffeesatz und Zucker aus ihrer Tasse, der Mann rauchte ein Zigarillo, als hätte er es mit einer großen Havanna zu tun. Eva ging mit einer Zigarette auf Joos zu und sagte den verabredeten Satz: »Do you smoke, may I trouble you for a light?« Joos erwiderte wie erwartet »Indeed I do smoke« und zündete ihre Zigarette mit dem Feuerzeug an. Er war eine schlanke Erscheinung mit einer schönen geraden Nase, sein Aussehen wurde nur durch einen Augenfehler beeinträchtigt: Sein linkes Auge schien über Evas Kopf hinwegzuschauen. Eva fragte weiter: »Do you know where I can buy any French cigarettes?« Joos dachte kurz nach und sagte: »Amsterdam?« Eva lächelte, zuckte die Schultern und kehrte zu ihrem Platz zurück. Sie zahlte, so schnell es ging, und, lief zur Damentoilette. Dort öffnete sie das Fenster, kletterte aufs Klosett und zwängte sich hinaus. Mit dem Absatz blieb sie am Riegel hängen, daher fiel sie ungeschickt zu Boden. Als sie sich aufrappelte und abklopfte, sah sie zwei Autos, die mit hohem Tempo über die deutsche Grenze kamen. Sie hörte die Autos bremsen und so abrupt vor dem Gasthaus halten, dass der Kies spritzte. Eilends lief sie nach vorn und kam gerade noch rechtzeitig, um ein halbes Dutzend Männer ins Haus rennen zu sehen.
    Eva überquerte mit schnellem Schritt den Parkplatz und eilte, vorbei an Schaukeln und Wippe, auf den Wald zu. Nach einer Minute oder weniger öffnete sich die Hoftür des Gasthauses, und sie sah, wie die britischen Agenten, jeder flankiert von zwei Männern, zum geparkten Mercedes geführt wurden. Da plötzlich kam Joos um die Hausecke gerannt. Eine Serie von Geräuschen, es klang wie das Knacken von Ästen, folgte, und sie bemerkte, dass Joos beim Rennen Schüsse abgab – er hatte einen Revolver in der Hand. Die Briten und ihre Bewacher duckten sich hinter den Mercedes. Eine von Joos’ Kugeln traf die Frontscheibe, Glassplitter flirrten durch die Luft.
    Joos rannte auf den Wald zu, nicht direkt in Evas Richtung, sondern rechts von ihr. Währenddessen richteten sich die Wachmänner auf, zogen ihre Pistolen und schossen auf Joos. Zwei weitere Männer kamen aus dem Gasthaus und rannten hinter ihm her, ebenfalls schießend. Eva sah, dass Joos ein guter Läufer war, sehr flink, trotz seines engen Anzugs, wie ein Schuljunge, und er hatte den Waldrand schon fast erreicht, als er zu stolpern schien und strauchelte, dann schossen die beiden Verfolger aus kürzerem Abstand – »Peng! Peng! Peng!« klang es –, er schlug lang hin und rührte sich nicht mehr. Die zwei Männer zogen ihn hoch, hakten ihn unter und schleppten ihn zum Auto. Die beiden Briten wurden hineingestoßen und Joos nach ihnen. Das Auto startete und fuhr mit hohem Tempo am Gasthaus vorbei auf die Straße. Die anderen Männer liefen langsam hinterher und steckten die Revolver wieder ein.
    Eva sah, wie sich die schwarz-weiße Schranke an der Grenze hob und erst das eine, dann das andere Auto unbehelligt nach Deutschland

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