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Ruhelos

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Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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das sein einziger Beitrag zur Geschichtswissenschaft. Als Kind war er einmal in den Ferien in Deutschland gewesen, und er hatte ein Jahr an der Wiener Universität studiert, bis der Anschluss dazwischenkam und er nach England zurückmusste. Während des Krieges hatte er als Stabsoffizier beim Kriegsministerium gedient, danach, 1945, war er als junger Dozent nach Oxford gegangen, hatte Lady Ursula geheiratet, sein schmales Buch veröffentlicht und war seither Mitglied der historischen Fakultät und Fellow seines College – immer, wie er unverblümt zugab, den »Weg des geringsten Widerstands« gehend. Er hatte einen verzweigten und hochgelehrten Freundeskreis in London und (dank Lady Ursula) ein großes, baufälliges Haus in der Grafschaft Cork, wo er die Sommer verbrachte.
    »Sind Sie fündig geworden, was diesen Lucas Romer betrifft?«, fragte ich beiläufig. Ich hatte ihn am Morgen angerufen, denn wenn mir jemand helfen konnte, so dachte ich, war es Bobbie York.
    »Romer, Romer …«, hatte er überlegt. »Ist das einer von den Darlington-Romers?«
    »Nein, eher nicht. Ich weiß nur, dass er im Krieg eine Art Spion war und irgendeinen Titel hat – vermutlich.«
    Er wollte sehen, was sich machen ließ.
    Jetzt hievte er sich aus dem Sessel, zog die Weste über den Bauch und ging an seinen Schreibtisch, wo er zwischen den Papieren wühlte.
    »Er steht weder im Who’s Who noch im Debrett« ,sagte er.
    »Ich weiß. Da hab ich schon gesucht.«
    »Das bedeutet natürlich gar nichts. Ich nehme an, er ist noch quicklebendig.«
    »Denke ich auch.«
    Er zog eine Halbbrille aus der Tasche und setzte sie auf. »Hier hab ich was«, sagte er. Er musterte mich über den Brillenrand. »Ich habe einen meiner intelligenteren Studenten angerufen, der beim Unterhaus als Parlamentsschreiber arbeitet. Er hat sich ein bisschen umgetan und einen Baron Mansfield of Hampton zutage gefördert. Bürgerlicher Name Romer.« Er zog die Schultern hoch. »Ob das Ihr Mann ist?«
    Von einem Zettel las er ab: »Mansfield, Baron von Hampton Cleeve, geadelt 1953 (Peer auf Lebenszeit). L.M. Romer, Geschäftsführer von Romer, Radclyffe Ltd. – ah, der Verlag, deshalb hat es bei mir geklingelt – seit 1946 bis heute. Mehr habe ich nicht, fürchte ich. Er scheint sehr zurückgezogen zu leben.«
    »Könnte sein«, sagte ich. »Jedenfalls werde ich der Sache nachgehen. Vielen Dank.«
    Er warf mir einen forschenden Blick zu. »Und warum interessieren Sie sich so für den Baron Mansfield of Hampton Cleeve?«
    »Meine Mutter hat ihn erwähnt. Mehr nicht.«
     
    In der Turf Tavern hatte meine Mutter zweierlei gesagt: erstens, Romer sei bestimmt noch am Leben, zweitens, er sei irgendwie geadelt worden – »Ritter oder Lord oder dergleichen. Ich glaube, ich habe so etwas gelesen, aber das ist Ewigkeiten her.« Wir verließen das Pub und liefen Richtung Keble College, wo sie ihren Wagen geparkt hatte.
    »Warum willst du Romer aufstöbern?«, fragte ich.
    »Ich glaube, die Zeit ist gekommen«, sagte sie nur, und an ihrem Ton merkte ich, dass es keinen Zweck hatte, weitere Fragen zu stellen.
    Sie brachte mich bis zur Ecke Moreton Road. Hamids Stunde begann in fünf Minuten, und natürlich saß er schon oben auf dem Treppenpodest und wartete auf mich.
    Wir verbrachten zwei Stunden mit den Ambersons, genossen ihren hindernisreichen Urlaub bei Corfe Castle, Dorset. Es wimmelte von Erklärungen, was Keith Amberson »should have done«, Beschwerden seiner wütenden Frau und seiner Kinder, weil er alles falsch machte. Keith war beschämt und kleinlaut, was auf Hamid abzufärben schien, denn er wirkte die ganze Zeit ungewohnt beflissen und eifrig, unterbrach mich oft, um sich ausführliche Notizen zu machen. Ich machte früher Schluss als sonst und fragte ihn, ob er etwas auf dem Herzen habe.
    »Sie haben meine Einladung zum Essen noch immer nicht befolgt«, sagte er.
    »Aber ja, jederzeit«, sagte ich, ich hatte sie natürlich längst vergessen. »Sagen Sie mir ein paar Tage vorher Bescheid, damit ich einen Babysitter besorgen kann.«
    »Wie wär’s am Samstagabend?«
    »Das ginge. Jochen kann bei seiner Großmutter schlafen. Samstag wäre schön.«
    »Es gibt ein neues Restaurant in der Woodstock Road – Browns.«
    »Ja, stimmt – Browns, so heißt es. Ich war noch nicht dort, das wäre schön.«
    Hamids Miene hellte sich auf. »Gut – also Samstag bei Browns. Ich hole Sie ab.«
    Wir besprachen die Termine, ich brachte ihn zur Tür. In der Küche saß Ludger und

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