Ruhelos
einiges davon abhängt, welche Figur Sie heute machen.«
»Spreche ich nur mit C?«
»O nein. Ich glaube, es sind alle da. Sie sind die einzige Zeugin.«
Eva sagte nichts und versuchte, ganz unbeschwert dreinzublicken, als sie in den Savoy Court einbogen und aufs Hotelportal zusteuerten. Der uniformierte Portier setzte die Drehtür in Bewegung, aber Eva blieb stehen und bat Romer um eine Zigarette. Er gab ihr Feuer, sie nahm einen tiefen Zug und musterte die Leute, die hier ein und aus gingen. Frauen mit Hut und Sommerkleid, ein Blumenbote brachte ein riesiges Bukett, Chauffeure mit glitzernden Kraftwagen. Für manche Leute brachte der Krieg kaum Änderungen mit sich, stellte sie fest.
»Warum treffen wir uns in einem Hotel?«, fragte sie.
»Die lieben so etwas. Neunzig Prozent aller geheimdienstlichen Treffs finden in Hotels statt. Gehen wir.«
Sie trat ihre halb gerauchte Zigarette aus und folgte ihm hinein. An der Rezeption wurden sie von einem jungen Mann empfangen, der sie zwei Treppen hinauf und durch einen langen, verwinkelten Korridor zu einer Suite führte. Sie wurden gebeten, in einer Art Flur mit Sofa Platz zu nehmen, und bekamen Tee angeboten. Dann tauchte ein Mann auf, der Romer kannte. Sie stellten sich in eine Ecke und tuschelten miteinander. Der Mann trug einen grauen Nadelstreifenanzug, hatte ein Menjoubärtchen und glattes rotblondes Haar. Als er ging, setzte sich Romer zurück zu ihr aufs Sofa.
»Wer war das?«, fragte sie.
»Ein kompletter Arsch«, flüsterte er, sein Mund dicht an ihrem Ohr. Sie spürte seinen warmen Atem an der Wange und bekam sofort Gänsehaut am Arm und an der ganzen Seite.
»Miss Dalton?« Der junge Mann von vorher winkte sie durch eine Tür.
Der Raum, den sie nun betrat, war groß und düster, sie spürte die Weiche und Dicke des Teppichs unter ihren Füßen. Romer trat hinter ihr ein, wie sie bemerkte. Sessel und Sofas waren an die Wände geschoben worden und die Vorhänge waren wegen der Augustsonne halb zugezogen. Drei Tische waren aneinandergereiht worden, dahinter saßen vier Männer und schauten auf einen einfachen Stuhl, der in der Mitte des Raums stand. Eva wurde zu dem Stuhl geleitet und aufgefordert, sich zu setzen. Zwei weitere Männer sah sie im Hintergrund stehen, an eine Wand gelehnt.
Ein älterer, vital wirkender Mann mit silbrigem Schnurrbart begann. Niemand wurde vorgestellt.
»Es mag Ihnen zwar wie ein Tribunal vorkommen, Miss Dalton, aber bitte betrachten Sie es als zwangloses Gespräch.«
Die Absurdität dieser Feststellung sorgte dafür, dass die anderen drei Männer kurz auflachten und lockerer wurden. Einer trug eine Marineuniform mit vielen Goldstreifen an den Ärmeln. Die anderen zwei kamen ihr eher wie Bankiers oder Anwälte vor. Einer hatte einen steifen Kragen. Sie bemerkte auch, dass einer der Männer, die hinten standen, eine getupfte Fliege trug. Ein kurzer Blick nach hinten sagte ihr, dass Romer mit dem »kompletten Arsch« neben der Tür stand.
Papiere wurden hin und her geschoben, Blicke wurden gewechselt.
»Nun, Miss Dalton«, begann der Silberbart. »Erzählen Sie uns doch in Ihren Worten, was genau in Prenslo geschehen ist.«
Genau das tat sie, sie schilderte den ganzen Tag, Stunde um Stunde. Als sie fertig war, begannen die Männer, Fragen zu stellen, und konzentrierten sich dabei immer stärker, wie sie feststellte, auf Leutnant Joos und das doppelte Losungswort.
»Wer hat Ihnen den genauen Wortlaut des doppelten Losungsworts mitgeteilt?«, fragte ein hochgewachsener Mann mit feisten Wangen. Seine Stimme war tief und klang rau und schwerfällig, er sprach sehr langsam und gewählt. Er war der Mann, der neben der gepunkteten Fliege im Hintergrund stand.
»Mr Romer.«
»Sie sind sicher, dass Sie es korrekt wiedergegeben haben? Sie haben keinen Fehler gemacht?«
»Nein. Wir benutzen routinemäßig doppelte Losungswörter.«
»Wir?«, unterbrach sie der Silberbart.
»Im Team – alle, die mit Mr Romer arbeiten. Für uns ist das völlig normal.«
Blicke richteten sich auf Romer. Der Marineoffizier flüsterte dem Mann mit dem steifen Kragen etwas zu. Der setzte eine runde Schildpattbrille auf und nahm Eva näher in Augenschein.
Der Silberbart beugte sich vor. »Wie würden Sie die Reaktion von Leutnant Joos auf Ihre zweite Frage, ›Where can I buy French cigarettes?‹, beschreiben?«
»Ich verstehe nicht«, sagte Eva.
Der Feistwangige meldete sich wieder zu Wort. »Kam Ihnen Leutnant Joos’ Antwort wie eine
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