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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Kampfmoral der Luftwaffenpiloten in einem kanadischen Magazin (Romer hatte »mehr« darübergekritzelt) und Fernschreiben von zwei amerikanischen Nachrichtenagenturen über die Enttarnung eines deutschen Spionagerings in Südafrika.
    Blytheswood klopfte an und fragte, ob sie eine Tasse Tee wolle. Er war ein großer, kräftiger Blonder Mitte dreißig, mit zwei roten Flecken auf jeder Wange, als wäre er immer kurz davor, über und über zu erröten. Tatsächlich war er sehr schüchtern, und Eva mochte ihn, denn er verhielt sich ihr gegenüber stets nett. Sein Metier waren die Sendeanlagen des AAS, und Romer bezeichnete ihn als Funkgenie: Er brauche nichts als eine Autobatterie und eine Stricknadel, um Nachrichten in alle Kontinente zu versenden.
    Während sie auf ihren Tee wartete, begann Eva eine Story über »Geisterschiffe« im Mittelmeer in die Maschine zu tippen, aber sie wurde von Deirdre unterbrochen.
    »Hallo, meine Süße, Ihre Lordschaft wünscht dich zu sprechen. Keine Sorge, deinen Tee trinke ich.«
    Eva erklomm die Wendeltreppe zu Romers Büro und versuchte, den Geruch im Treppenhaus zu ergründen – eine Mischung aus Pilzen und Ruß, altem Staub und Moder, befand sie. Romers Tür stand offen, sie trat ein, ohne zu klopfen oder sich höflich zu räuspern. Er wandte ihr den Rücken zu und starrte hinüber zum Holborn Viaduct, als wäre in den stählernen Bögen eine verschlüsselte Nachricht für ihn verborgen.
    »Morgen«, sagte Eva. Sie waren nun seit vier Monaten wieder in England, und in dieser Zeit hatte sie Romer ihrer Schätzung nach nicht länger als insgesamt anderthalb Stunden zu Gesicht bekommen. Von dem vertrauten Ton, der sich in Belgien zwischen ihnen entwickelt hatte, war mit dem Zusammenbruch der Agentur und den unverändert schlechten Nachrichten nach Kriegsbeginn nichts mehr zu spüren. In England wirkte Romer steif und verschlossen (und das nicht nur ihr gegenüber, wie die anderen versicherten, als sie sich über seine froideur beklagte). Es mehrten sich die Gerüchte, dass der neue Chef des SIS plane, alle »irregulären« Einrichtungen zu schließen. Romers Tage seien gezählt, behauptete Morris Devereux.
    Romer wandte sich vom Fenster ab.
    »C will Sie sprechen«, sagte er. »Es geht um Prenslo.«
    Sie wusste, wer C war, und bekam einen gelinden Schreck.
    »Warum mich?«, fragte sie. »Sie wissen genauso viel.«
    Romer erklärte ihr, dass die Querelen wegen des Prenslo-Zwischenfalls noch immer andauerten. Einer der zwei entführten britischen Agenten war der Stationschef des SIS in Holland, und der andere leitete das niederländische Netzwerk »Z«, einen nebengeordneten konspirativen Nachrichtendienst. Die zwei wussten so ziemlich alles über die britischen Spionagenetzwerke in Westeuropa, und nun waren sie in den Händen der Deutschen, die sie gnadenlosen Verhören aussetzten, da konnte es keinen Zweifel geben.
    »Alles ist zerstört«, sagte Romer, »entweder enttarnt oder unsicher oder unbrauchbar. Davon müssen wir ausgehen. Und was ist uns geblieben? Lissabon, Bern … Madrid ist auch futsch.« Er blickte sie an. »Ich weiß nicht, warum Sie zum Rapport müssen, um ehrlich zu sein. Vielleicht denken die, Sie haben etwas gesehen, etwas, woraus sie schließen können, wie es zu diesem unglaublichen Schlamassel kam.« Sein Tonfall ließ erkennen, dass er das Ganze für Zeitverschwendung hielt. Er schaute auf die Uhr. »Wir können zu Fuß gehen«, sagte er. »Wir müssen zum Savoy Hotel.«
     
    Eva und Romer liefen The Strand entlang zum Savoy. Ein Spätsommermorgen in London wie jeder andere, dachte Eva, abgesehen von den Sandsäcken vor gewissen Hauseingängen und den vielen Uniformierten unter den Passanten. Aber während sie diese Beobachtung registrierte, fiel ihr auf, dass sie noch nie einen Spätsommermorgen in London erlebt hatte und ihr Vergleich daher jeder Grundlage entbehrte. Vielleicht hatte London vor dem Krieg völlig anders ausgesehen. Sie fragte sich, wie es wäre, jetzt in Paris zu sein. Das wäre wirklich ein Unterschied gewesen. Romer war nicht zu Gesprächen aufgelegt, er wirkte missmutig.
    »Erzählen Sie ihnen einfach alles – so wie mir. Seien Sie vollkommen ehrlich.«
    »Zu Befehl. Die ganze Wahrheit und so weiter.«
    Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Dann folgte ein dünnes Lächeln, und er ließ für einen Moment die Schultern hängen.
    »Es steht eine Menge auf dem Spiel«, sagte er. »Eine neue Operation für den AAS. Ich habe das Gefühl, dass

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