Ruhelos
Erwiderung des Losungsworts vor, oder war es eine spontane Auskunft?«
Eva zögerte und dachte an diesen Augenblick im Café Backus zurück. Sie sah Joos’ Gesicht vor sich, sein verhaltenes Lächeln, er wusste genau, wer sie war. Er hatte sofort »Amsterdam« erwidert, ganz sicher, dass dies die erwartete Antwort war.
»Ich würde mit Gewissheit sagen, dass er überzeugt war, mir die richtige Erwiderung auf das zweite Losungswort gegeben zu haben.«
Ihr war, als würden alle Männer im Raum unmerklich aufatmen. Sie konnte nicht sagen, woran sie es merkte und was es zu besagen hatte, aber etwas in ihrer Antwort hatte zur Lösung eines komplexen Problems, zur Klärung einer strittigen Frage beigetragen.
Der Feistwangige trat vor, schob die Hände in die Hosentaschen. Das könnte C sein, mutmaßte sie.
»Wie hätten Sie sich verhalten, wenn Leutnant Joos das korrekte Losungswort genannt hätte?«
»Ich hätte ihn über meinen Verdacht betreffend die zwei Deutschen im Hinterzimmer informiert.«
»Sie hatten wirklich einen Verdacht gegen diese Deutschen?«
»Ja. Bedenken Sie, dass ich den ganzen Tag dort gewesen war, mit Frühstück und Mittagessen, drinnen und draußen. Die Deutschen hatten keinen Grund zur Vermutung, dass ich wegen des Treffens da war. Ich hatte den Eindruck, dass sie gereizt waren, verstimmt. Jetzt im Rückblick verstehe ich, warum.«
Der Mann mit der runden Brille hob den Finger. »Mir ist das noch nicht ganz klar, Miss Dalton. Wie kam es denn, dass Sie an dem Tag im Café Backus waren?«
»Das war Mr Romers Idee. Er wies mich an, am Morgen dorthin zu gehen und alles zu beobachten, so unauffällig wie möglich.«
»Es war also Mr Romers Idee.«
»Ja.«
»Vielen Dank.«
Sie stellten noch ein paar Fragen, der Form halber, über das Verhalten der zwei britischen Agenten, aber es war offenkundig, dass sie die Informationen hatten, die sie brauchten. Dann wurde sie gebeten, draußen zu warten.
Sie nahm im Vorzimmer Platz und nickte, als ihr Tee angeboten wurde. Der Tee wurde gebracht, und als sie die Tasse entgegennahm, stellte sie mit Freude fest, dass ihre Hände kaum zitterten. Nach etwa zwanzig Minuten kam Romer heraus. Er war glücklich, das sah sie sofort – alles an seiner Erscheinung, sein wissender Blick, sein unbewegtes Gesicht ohne die Spur eines Lächelns, verriet ihr, dass er höchst zufrieden war.
Sie verließen das Savoy und blieben auf der Straße stehen, umbrandet vom Verkehr.
»Nehmen Sie den restlichen Tag frei«, sagte er. »Sie haben es sich verdient.«
»Wieso? Was hab ich denn getan?«
»Also – wie wär’s mit einem Essen heute Abend? Ich kenne ein Lokal in Soho – Don Luigi, Frith Street. Wir sehen uns um acht.«
»Heute Abend geht es nicht, fürchte ich.«
»Unsinn. Wir müssen feiern. Ich sehe Sie um acht. Taxi!«
Er rannte davon, um ins herbeigewinkte Taxi zu steigen. Eva stand da und überlegte. Don Luigi, Frith Street, acht Uhr. Was ging hier vor?
»Hallo, Miss Fitzroy. Man sieht Sie aber selten!«
Mrs Dangerfield trat einen Schritt zurück, um Eva einzulassen. Die füllige Blondine trug ein dickes, pudriges Make-up, fast so, als wäre sie im Begriff, auf die Bühne zu treten.
»Bin nur auf der Durchreise, Mrs Dangerfield. Ich hole ein paar Sachen ab.«
»Ich habe hier Post für Sie.« Sie nahm einen kleinen Stapel Briefe vom Korridortisch. »Alles ist bereit und in bester Ordnung. Soll ich das Bett aufschütteln?«
»Nein, nein, ich bleibe nur ein paar Stunden, dann geht’s wieder nach Norden.«
»Nichts wie weg von London, das kann ich Ihnen sagen!« Mrs Dangerfield zählte die Nachteile Londons zu Kriegszeiten auf, während sie Eva zu ihrer Bodenkammer in der Winchester Street 312, Battersea, hinaufgeleitete.
Eva schloss die Tür hinter sich zu. Sie schaute sich im Zimmer um und machte sich wieder mit ihm vertraut – fast fünf Wochen war sie nicht hier gewesen. Als Nächstes überprüfte sie die Spurenfallen: Natürlich hatte sich Mrs Dangerfield gründlich im Schreibtisch, dem Kleiderschrank und der Kommode umgesehen. Sie setzte sich auf das Dienstmädchenbett, breitete das halbe Dutzend Briefe auf der Überdecke aus und öffnete einen nach dem anderen. Drei warf sie in den Papierkorb, die restlichen legte sie in der Schreibtischschublade ab. Alle waren von ihr selbst abgeschickt worden. Die Ansichtskarte aus King’s Lynn stellte sie auf den Sims des Gaskamins; am vergangenen Wochenende war sie extra dorthin gefahren, um diese
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