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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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zurück und schaute im Garten umher. »Jochen! Mummy fährt jetzt. Komm und sag auf Wiedersehen.«
     
    Ich machte mich hübsch für Hamid, obwohl ich nicht recht bei der Sache war. Meine kostbaren Abende verbrachte ich lieber allein, aber ich wusch mir das Haar und legte ein wenig dunkel grauen Lidschatten auf. Eigentlich war ich entschlossen, meine Plateaustiefel zu tragen, doch da ich ihn nicht überragen wollte, begnügte ich mich mit den Clogs und zog dazu Jeans und ein besticktes Kittelkleid an. Damit wirkte auch mein Hinterteil nicht mehr so auffällig – unter dem Kleid bildete es eine anmutige, kaum sichtbare Wölbung. Während ich auf ihn wartete, stellte ich einen Küchenstuhl auf den Treppenabsatz und trank ein Bier. Das Licht war mild und dunstig, Dutzende Mauersegler schossen über den Baumwipfeln dahin und füllten die Luft mit ihren Rufen, die zu einem kaum noch wahrnehmbaren Quietschgeräusch verschmolzen. Wenigstens einen Vorzug hatte diese Romer-Suche, dachte ich, während ich mein Bier schlürfte, nämlich dass meine Mutter ein wenig von ihrer Paranoia und ihrem Invalidentick herunterkam – ihre Rückenschmerzen waren kein Thema mehr, der Rollstuhl stand unbenutzt im Flur –, aber dann fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, nach dem Gewehr zu fragen.
    Hamid kam im dunklen Anzug mit Krawatte. Angeblich fand er, ich sähe »sehr nett« aus, doch sein Blick verriet mir, dass er ein wenig enttäuscht von meinem lockeren Outfit war. Wir liefen im dunstig-goldenen Abendlicht durch die Woodstock Road. Die Rasenflächen der großen Backsteinvillen waren gelblich verfärbt, die Blätter an den Bäumen, sonst von üppigem Grün, sahen staubig und müde aus.
    »Ist Ihnen nicht heiß?«, fragte ich Hamid. »Sie können das Jackett ausziehen.«
    »Nein. Ich fühle mich wohl. Hat das Lokal eine Klimaanlage?«
    »Das bezweifle ich. Wir sind schließlich in England.« Wie sich herausstellte, hatte ich recht, aber zum Ausgleich surrten mehrere Deckenventilatoren über uns. Ich war nie im Browns gewesen, und mir gefiel es hier: eine lange dunkle Bar mit großen Spiegeln, Palmen und viel Grün überall. Die Kugellampen an den Wänden leuchteten wie kleine bleiche Monde. Das Ganze untermalt von irgendeiner jazzigen Rockmusik.
    Hamid trank nicht, aber bestand auf einem Aperitif für mich – Wodka Tonic, vielen Dank – und bestellte dann eine Flasche Rotwein.
    »Das kann ich nicht alles trinken«, sagte ich. »Dann falle ich um.«
    »Ich fange Sie auf«, erwiderte er galant, doch es klang plump und zudringlich. Er bemerkte es und reagierte mit einem schüchtern-schuldbewussten Lächeln.
    »Sie können ihn ja stehen lassen.«
    »Ich nehme ihn mit nach Hause«, sagte ich, um dieses Gespräch über meine Trinkgewohnheiten zu beenden. »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.«
    Beim Essen redeten wir über Oxford English Plus, Hamid erzählte von den anderen Tutoren und berichtete, es würden dreißig weitere Erdöltechniker von Dusendorf eintreffen; außerdem: Hugues und Bérangère hätten ein Verhältnis miteinander.
    »Woher wissen Sie das?«, fragte ich. Ich hatte nichts dergleichen bemerkt.
    »Hugues erzählt mir alles.«
    »Ach so … Ich hoffe, sie werden glücklich miteinander.«
    Er goss mir Wein nach. Etwas an der Art, wie er es tat, an der Stellung seines Mundes und seines Kinns, verriet mir, dass jetzt der ernste Teil des Gesprächs kam. Ich war ein wenig genervt – das Leben war schon ohne Hamid kompliziert genug. In Erwartung des Kreuzverhörs trank ich das halbe Glas leer und spürte fast augenblicklich den Kick. Ich trank zu viel – aber wer wollte mir das verübeln?
    »Ruth, darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
    »Natürlich.«
    »Es geht um Jochens Vater.«
    »O Gott. Na, schießen Sie los.«
    »Waren Sie mit ihm verheiratet?«
    »Nein. Er war schon verheiratet und hatte drei Kinder, als ich ihn kennenlernte.«
    »Also: Wie kommt es da, dass Sie von diesem Mann ein Kind haben?«
    Ich nahm noch einen kräftigen Schluck. Die Serviererin räumte die Teller ab.
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    »Ja. Weil ich es nicht verstehe. Ich kann es nicht mit Ihrem Leben zusammenbringen. Und doch kenne ich Sie, Ruth.«
    »Nein, das tun Sie nicht.«
    »Seit drei Monaten sehe ich Sie fast täglich. Ich habe das Gefühl, dass wir befreundet sind.«
    »Stimmt, okay.«
    »Also: Wie kam es dazu?«
    Ich beschloss, es ihm zu erzählen, zumindest so viel wie nötig. Vielleicht würde es auch mir helfen, die

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