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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Herbstfärbung. Sie war froh, dass die Fahrt schnell vorüber war.
    Im Bahnhof von Baltimore sagte sie mit Nachdruck zu Romer, ihr sei jetzt nach Kaffee und einem Sandwich, also bat er Bradley, vorauszugehen und im Allegany zu warten. Endlich waren sie allein.
    »Was soll das werden, wenn es fertig ist?«, fragte sie, als sie in der Bahnhofscafeteria saßen, obwohl ihr die Antwort schon halb bewusst war. Mit dem Handballen wischte sie ein Guckloch in die beschlagene Fensterscheibe, um auf die fast leere Straße hinauszublicken; ein paar Passanten liefen vorbei, ein Schwarzer bot bunte Sträußchen feil.
    »Wir brauchen Fotos von dir und Harding, wie ihr das Hotel betretet und am nächsten Morgen verlasst.«
    »Verstehe …« Plötzlich war ihr übel, aber sie beschloss, durchzuhalten. »Warum?«
    Romer seufzte und blickte sich um, bevor er unter dem Tisch nach ihrer Hand griff.
    »Sein Land verrät man nur aus drei Gründen«, sagte er leise, ernst, ihre nächste Frage erwartend.
    »Und welche sind das?«
    »Geld, Erpressung und Rache.«
    Sie dachte darüber nach. War das eine neue Romer-Regel?
    »Geld, Rache – und Erpressung.«
    »Du weißt, was hier läuft, Eva. Du weißt, was vonnöten ist, damit uns Mr Harding plötzlich sehr nützlich werden kann.«
    Sie wusste es und dachte an Mrs Harding mit all dem Geld und den kleinen Söhnen, Mason jr. und Farley.
    »Hast du das alles geplant?«
    »Nein.«
    Sie schaute ihn an. Lügner, sagten ihre Augen.
    »Das ist Teil des Jobs, Eva. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr uns das helfen würde. Wir hätten jemanden in Hopkins’ Büro, jemanden in seiner nächsten Umgebung.« Er schwieg kurz. »Und das heißt: jemanden in Roosevelts nächster Umgebung.«
    Sie schob eine Zigarette zwischen die Lippen und sagte: »Ich muss also mit Mason Harding schlafen, damit der SIS die Absichten von Roosevelt und Hopkins erfährt.«
    »Du musst nicht mit ihm schlafen. Hauptsache, wir kriegen die Fotos. Mehr an Beweisen brauchen wir nicht. Wie du das deichselst, ist deine Sache.«
    Sie brachte ein trockenes Lachen heraus, aber es kam ihr nicht echt vor. »Deichseln – nettes Wort«, sagte sie. »Ich weiß: Ich werde ihm sagen, dass ich meine Periode habe.«
    Er fand es nicht lustig. »Sei nicht albern. Das ist unter deinem Niveau. Hier geht es nicht um deine Gefühle, sondern um das, weshalb du für uns arbeitest.« Er lehnte sich zurück. »Aber wenn du hinschmeißen willst – sag’s mir einfach.«
    Sie sagte nichts. Sie dachte an das, was vor ihr lag. Ob sie fähig war, zu tun, was Romer von ihr verlangte. Welche Empfindungen hatte Romer? Er wirkte so kalt und sachlich.
    »Wie wäre das für dich«, fragte sie, »wenn ich es täte?«
    Schnell und tonlos sagte er: »Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen.«
    Sie versuchte, den Schmerz, der in ihr anwuchs, nicht zu zeigen. Du hättest es mir auch anders sagen können, dachte sie. Dann wäre es mir ein bisschen leichter gefallen.
    »Du musst es als Job betrachten, Eva«, fuhr er fort, mit sanfterer Stimme, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Halte deine Gefühle da heraus. Es könnte sein, dass du noch unangenehmere Dinge tun musst, bevor dieser Krieg vorüber ist.« Er verdeckte den Mund mit der Hand. »Eigentlich dürfte ich dir das nicht sagen, aber der Druck aus London ist gewaltig. Immens.« Die BSC habe eine einzige, entscheidende Aufgabe, erklärte er weiter – die USA dahin zu bringen, aus eigenem Interesse in den Krieg einzutreten. Das war schon alles: Amerika schlicht und einfach zum Mitmachen zu bewegen. Er erinnerte sie daran, dass seit einem ersten Treffen zwischen Churchill und Roosevelt schon über drei Monate vergangen waren. »Da haben wir nun unsere wundervolle, vielgepriesene Atlantik-Charta«, sagte er. »Und was ist passiert? Gar nichts. Du weißt doch, was die Zeitungen in England schreiben. ›Wo bleiben die Yanks?‹, ›Was hält die Yanks zurück?‹ Wir müssen uns näher heranarbeiten. Wir müssen ins Weiße Haus hineinkommen. Und du kannst dabei helfen. So einfach ist das.«
    »Aber was empfindest du?« Es war wieder die falsche Frage, sie wusste es, und sie sah, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte, aber sie wollte brutal sein, wollte ihn mit der Härte dessen konfrontieren, was ihr da abverlangt wurde. »Was empfindest du dabei, wenn ich mit Harding ins Bett gehe?«
    »Ich will nur, dass wir diesen Krieg gewinnen«, sagte er. »Meine Gefühle sind irrelevant.«
    »Na gut«, sagte sie. Sie

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