Ruheloses Herz
herauszufinden, wozu das verdammte Ding fähig war, in der Hoffnung, dass er eines Tages vielleicht doch damit seine Tabellen zusammenstellen konnte.
Zeitsparend und effizient sollten die Dinger angeblich sein, wenn man dem Werberummel glaubte, sinnierte er, während er den Computer mit einem misstrauischen Blick streifte. Na, bis jetzt hatte er davon noch nicht viel gemerkt.
Er hatte seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen. Was allerdings nichts mit seinem Job zu tun hatte, wie er sich eingestehen musste. Und alles mit der Tochter seines Brötchengebers.
Bloß gut, dass ich demnächst nach Saratoga fahre, überlegte er, während er mit dem Stuhl zurückrutschte und aufstand. Er brauchte dringend ein bisschen Abstand. Am besten, er ignorierte das Gefühl, auf schwankendem Boden zu stehen, und verdrängte diesen scheußlichen Schmerz in der Herzgegend.
Er war nicht der Typ, der sich wegen einer Frau graue Haare wachsen ließ. Oh ja, er hatte seinen Spaß mit Frauen und freute sich, wenn es umgekehrt genauso war, und hinterher ging jeder, ohne etwas zu bereuen, wieder seiner Wege.
Wichtig war nur, dass man immer in Bewegung blieb.
New York war von hier aus ziemlich weit weg. Wenn die Zeit reif war, müsste es eigentlich weit genug sein. Für heute würde er das Problem dadurch lösen, dass er sich einen ordentlichen Schuss Whiskey in den Tee tat. Und dann würde er schlafen, so wahr ihm Gott helfe, und wenn er sich dafür selbst eins über den Kopf geben musste.
Und er würde keinen einzigen Gedanken mehr an Keeley verschwenden.
Als es an der Tür klopfte, stieß er einen leisen Fluch aus. Sein erster Gedanke war, dass sich Lucys Zustand wieder verschlechtert hatte, obwohl sich die Stute mit der Bronchitis wieder aufgerappelt zu haben schien. Er langte nach seinen Stiefeln, die er bereits ausgezogen hatte, und rief: »Herein, es ist offen. Ist es Lucy?«
»Nein, Keeley. Aber wenn du Lucy erwartest, kann ich wieder gehen.«
Der Stiefel, den er eben hatte anziehen wollen, rutschte ihm aus der Hand. Seine Fingerspitzen wurden taub. »Lucy ist ein Pferd«, brachte er mühsam heraus. »Sie klopft nicht oft an meine Tür.«
»Ach ja, die Bronchitis. Ich dachte, es geht ihr besser.«
»Tut es auch.« Keeley trug das Haar offen. Warum machte sie das? Es bewirkte, dass seine Hände wehtaten, richtig wehtaten, so sehr lechzten sie danach, die seidigen Strähnen zu berühren.
»Das ist gut.« Sie trat ein, schloss die Tür hinter sich. Und da es sie in den Fingern juckte, legte sie mit einem hörbaren Geräusch den Riegel um. Allein der Anblick seiner mahlenden Kiefer war eine ungeheure Genugtuung.
Er war ein Ertrinkender und ging eben zum ersten Mal unter. »Keeley, ich hatte einen langen Tag. Ich wollte mir gerade …«
»Einen Schlaftrunk machen«, beendete sie seinen Satz, als sie den Teekessel auf dem Herd und die Whiskeyflasche auf dem Küchentresen entdeckte. »Ich könnte auch einen vertragen.« Sie glitt entschlossen an ihm vorbei und stellte die Herdplatte unter dem mittlerweile kochenden Wasser aus.
Sie hatte ein anderes Parfüm aufgelegt. Wahrscheinlich gerade eben erst, nur um ihn zu quälen.
»Ich habe nicht mit Besuch gerechnet.«
»Als Besuch würde ich mich auch nicht unbedingt bezeichnen.« Ruhig erwärmte sie die Teekanne, dann maß sie Tee ab und goss ihn auf. »Wenn wir ein Liebespaar wären, wäre ich bestimmt keiner.«
Ohne eine Chance nach Luft zu schnappen, ging er zum zweiten Mal unter. »Wir sind aber kein Liebespaar.«
»Das wird sich bald ändern.« Sie tat den Deckel auf die Kanne, drehte sich um. »Wie lange soll ich ihn ziehen lassen?«
»Ich trinke ihn gern stark, deshalb dauert es eine Weile. Du solltest jetzt nach Hause gehen.«
»Ich trinke ihn auch gern stark.« Erstaunlich, dass sie gar nicht nervös war. »Und wenn es eine Weile dauert, können wir ihn ja anschließend trinken.«
»So geht das nicht.« Er sagte es mehr zu sich selbst als zu ihr. »So geht das wirklich nicht. Nein, bleib, wo du bist, und lass mich kurz nachdenken.«
Aber sie kam bereits mit einem Sirenenlächeln auf ihn zu. »Wenn du es vorziehst, mich zu verführen, dann nur zu.«
»Genau das werde ich nicht tun.« Obwohl die Nacht kühl war und seine Fenster offen waren, spürte er, dass ihm ein Schweißtropfen über den Rücken rann. »Wenn ich gewusst hätte, was daraus wird, hätte ich nie damit angefangen.«
Dieser Mund, dachte sie. Diesen Mund musste sie unter allen Umständen erkunden.
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