Ruhig Blut!
bereiten?«
»Natürlich nicht!« rief der Graf Elstyr, als die anderen zum blassen Licht emporsahen, das durch ein hohes Fenster fiel. »Es ist eine erlernte psychochromatische Reaktion! Nichts weiter als Aberglaube! Alles spielt sich in unserem eigenen Denken und Empfinden ab!«
»Was spielt sich dort sonst noch ab, Vater?« fragte Vlad kühl. Der Graf ging mit langsamen Schritten und versuchte dabei, Lacrimosa
im Auge zu behalten. Sie krümmte die Finger und knurrte.
»Ich habe dich gefragt, was…«
»In unserem Bewußtsein stecken nur die Dinge, die wir selbst gestaltet
haben!« donnerte der Graf. »Ich habe das Selbst der alten Hexe gesehen! Es ist schwach. Sie verläßt sich auf Tricks! Sie kann unmöglich einen Weg in unser Ich gefunden haben! Ich frage mich, ob es hier ganz andere Pläne gibt…«
Er sah Lacrimosa an und zeigte ebenfalls die Zähne.
Die Gräfin fächerte sich mit wachsender Verzweiflung Luft zu. »Nun, ich glaube, wir regen uns ein bißchen zu sehr auf«, sagte sie. »Wir sollten uns hinsetzen und eine Tasse… eine… eine Tasse Tee…«
»Wir sind Vampire!« kreischte Lacrimosa.
»Dann sollten wir uns auch wie welche verhalten!« rief der Graf.
Agnes öffnete ein Auge und trat zu. Der Mann mit Hammer und Pflock verlor jedes Interesse an Vampiren und auch das Bewußtsein.
»Whsz…« Agnes zog einen Gegenstand aus ihrem Mund und stellte fest, daß es sich um eine Feige handelte. »Geht es einfach nicht in eure dummen Köpfe, daß ich kein Vampir bin? Und dies dürfte wohl kaum eine Zitrone sein. Und an eurer Stelle würde ich den Burschen mit dem Pflock im Auge behalten. Er ist etwas übereifrig. Vielleicht gibt es irgendeinen psychologischen Grund dafür…«
»Ich hätte nicht zugelassen, daß er ihn benutzt«, erklang Piotrs Stimme dicht an ihrem Ohr. »Aber du hast dich seltsam verhalten und bist dann zusammengebrochen. Deshalb waren wir uns nicht ganz sicher, als was du erwachen würdest.«
Er stand auf. Die Bürger von Eskrau warteten bei den Bäumen, und im flackernden Fackelschein wirkten ihre Gesichter hohlwangig. »Alles klar, sie ist noch immer kein Vampir«, sagte Piotr. Die Leute entspannten sich ein wenig.
Du hast dich wirklich verändert, sagte Perdita.
»Du bist nicht davon betroffen?« fragte Agnes. Sie fühlte sich wie am Ende eines Bindfadens, den jemand auf und ab bewegte.
Nein. Ich bin der Teil von dir, der wachsam Ausschau hält, erinnerst du dich? »Wie bitte?« fragte Piotr.
»Ich hoffe wirklich, daß dies bald aufhört«, sagte Agnes. »Ich stolpere
dauernd über meine eigenen Füße! Ich gehe falsch! Mein ganzer Körper fühlt sich falsch an!«
»Äh… sollen wir den Weg zum Schloß fortsetzen?« fragte Piotr. » Sie ist bereits da«, erwiderte Agnes. »Ich weiß nicht, wie es ihr gelungen ist, aber…«
Sie unterbrach sich, sah die besorgten Gesichter und dachte plötzlich so wie Oma Wetterwachs.
»Ja«, sagte sie langsamer. »Wir sollten uns möglichst schnell zum Schloß begeben. Damit die Leute ihre Vampire selbst töten können.«
Nanny eilte die Treppe hinunter.
»Ich wußte es!« schnaufte sie. »Das dort unten ist Esme Wetterwachs.
Ich hab’s dir ja gesagt! Ich wußte, daß sie nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hat! Ha, ich möchte den Blutsauger sehen, der es schafft, sie zu überwältigen!«
»Ich nicht«, erwiderte Igor mit Nachdruck.
Nanny trat über einen Vampir hinweg, der etwas Bestimmtes im Schatten übersehen hatte – einen Stolperdraht, ein schweres Gewicht und einen Pflock. Anschließend öffnete sie eine Tür, die auf den Hof führte.
»Hu-hu, Esme!«
Oma Wetterwachs stieß Himmelwärts beiseite und trat vor. »Ist mit dem Baby alles in Ordnung?« fragte sie.
»Magrat und Es… und die junge Esme haben sich in der Krypta eingeschlossen«, sagte Nanny. »Die Tür dort ist ausgesprochen widerstandsfähig.«
»Und Fetfen bewacht fie«, fügte Igor hinzu. »Er ift ein aufgezeichneter Wachhund.«
Oma hob die Brauen und musterte Igor von Kopf bis Fuß. »Ich glaube, ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, diesen… diese
Herren kennenzulernen«, sagte sie.
»Oh, das ist Igor«, stellte Nanny vor. »Ein sehr vielseitiger Mann.« »Das sehe ich«, sagte Oma.
Nanny sah zu Hilbert Himmelwärts. »Warum hast du ihn mitgebracht?« fragte sie.
»Ich konnte ihn einfach nicht loswerden«, antwortete Oma.
»Auch ich versuche es immer damit, mich hinterm Sofa zu verstecken«, meinte Nanny. Himmelwärts wandte den Blick ab. Irgendwo
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