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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nach draußen zurück und wirkte besorgt.
    Sie trat zur Wassertonne, zerbrach dort mit einer Hand das Eis, hob ein Stück hoch, betrachtete es einige Sekunden lang und warf es dann fort.
    Die Leute hatten oft falsche Vorstellungen von Nanny Ogg, und sie bestärkte sie darin. Zum Beispiel glaubten viele, sie könnte nicht weiter sehen als bis zum Grund ihres Humpens.
    Eine Elster hockte auf dem Ast eines nahen Baums und schnatterte. Nanny warf einen Stein nach ihr.
    Agnes traf nach einer weiteren halben Stunde ein. Sie ging lieber zu Fuß, wann immer das möglich war – sie fürchtete, zu weit über den Besen hinauszuragen.
    Nanny Ogg saß unmittelbar hinter der Tür auf einem Stuhl und rauchte ihre Pfeife. Sie nahm sie aus dem Mund und nickte.
»Sie ist fort«, teilte sie der jüngeren Hexe mit.
»Fort?« wiederholte Agnes. »Ausgerechnet jetzt, wo wir sie brauchen?
    Was hat das zu bedeuten?«
»Sie ist nicht mehr hier«, erklärte Nanny.
»Vielleicht macht sie nur einen Spaziergang durch den Wald«, spekulierte Agnes.
    »Weg«, betonte Nanny. »Und zwar seit zwei Stunden, wenn ich mich nicht irre.«
»Wie kommst du darauf?«
Früher einmal – vielleicht erst gestern – hätte Nanny auf irgendwelche magischen Kräfte hingewiesen. Die Tatsache, daß sie heute sofort zur Sache kam, verriet deutlich das Ausmaß ihrer Besorgnis.
    »Ob es morgens regnet oder die Sonne scheint – Esme geht immer zuerst zur Regentonne und wäscht sich das Gesicht«, sagte sie. »Jemand hat die Eisschicht vor zwei Stunden zerbrochen. Man kann sehen, wo sie wieder zugefroren ist.«
    »Ach, mehr steckt nicht dahinter?« erwiderte Agnes. »Nun, vielleicht muß sie irgend etwas erledigen…«
»Komm und sieh es dir selbst an«, sagte Nanny und stand auf.
    Die meisten kleineren Gegenstände in der Hütte lagen auf dem Tisch. Agnes bemerkte drei Tassen, drei Teller, drei Messer, ein Hackbeil, drei Gabeln, drei Löffel, zwei Schöpfkellen, eine Schere und drei Kerzenhalter. Eine hölzerne Schatulle enthielt Nadeln, Garn und Stifte…
    Was geputzt werden konnte, war geputzt worden. Jemand hatte sogar die alten Kerzenhalter aus Zinn zum Glänzen gebracht.
    Agnes spürte, wie der kleine Knoten aus Anspannung in ihr wuchs. Hexen besaßen nicht viel. Die Dinge gehörten der Hütte. Man durfte sie nicht von ihr wegbringen.
    Auf dem Tisch war das Inventar ausgebreitet.
Hinter Agnes öffnete und schloß Nanny Ogg die Schubladen der alten Frisierkommode.
    »Es ist alles ganz ordentlich«, sagte Nanny. »Sie hat sogar den Rost vom Kessel gekratzt. Die Speisekammer ist leer, abgesehen von einem geschrumpelten Käse und steinharten Keksen. Ähnlich sieht’s im Schlafzimmer aus. Ihr ICH-BINNE-NICH-TOT-Schild hängt hinter der Tür. Und das Klo ist so sauber, daß du deinen Tee daraus trinken könntest. Und sie hat die Schachtel aus der Kommode genommen.«
    »Welche Schachtel?«
»Oh, sie bewahrt Zeugs darin auf«, sagte Nanny. »Memoraribililien.« »Mem…?«
»Du weißt schon, Andenken und so. Dinge, die ihr gehören…« »Was ist das hier?« fragte Agnes und hob eine grüne Glaskugel hoch. »Oh, das hat sie von Magrat.« Nanny hob eine Ecke des Läufers an
    und spähte darunter. »Es ist eine sogenannte Flotte, die unser Wayne einmal vom Meer mitgebracht hat. Sie sind für die Bojen von Fischnetzen.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Bojen mit Glaskugeln ausgestattet sind«, meinte Agnes.
    Eine Sekunde später hielt sie den Atem an und wartete. Normalerweise nahm Nanny Ogg selbst die harmlosesten Bemerkungen zum Anlaß, irgendwelche Witze zu reißen, meistens mit einer ausgeprägten sexuellen Komponente. Agnes dachte kurz daran, was Nanny unter gewöhnlichen Umständen aus Begriffen wie Bojen und Glaskugeln gemacht hätte, und sofort dehnte sich Verlegenheitsröte in ihr aus.
    »Ich habe gerade von Bojen und gläsernen Kugeln gesprochen…«
    »Mit dem Fischen kenne ich mich kaum aus«, sagte Nanny. Sie richtete sich auf und kaute nachdenklich am Fingernagel ihres Daumens. »Mit diesen Sachen stimmt was nicht… Die Schachtel… Sie hat nichts zurückgelassen…«
    »Oma ist doch nicht wirklich gegangen, oder?« fragte Agnes. »Ich meine, sie bleibt doch nicht etwa fort? Sie ist immer hier bei uns gewesen.«
    »Wie ich dir gestern abend sagte: In letzter Zeit ist sie sie selbst gewesen«, murmelte Nanny und ließ sich in den Schaukelstuhl sinken.
»Du meinst wohl, sie war nicht ganz sie selbst«, entgegnete Agnes.
    »Ich weiß genau, was ich meine,

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