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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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konnte sie nicht richtig denken. Ihr Kopf schien voller Nebel zu sein.
    Dies… war kein Ort in der Realität. Nein, auf diese Weise durfte sie nicht an die Angelegenheit herangehen. Es war kein gewöhnlicher Ort, obgleich er realer als Lancre sein mochte. Ihr Schatten wuchs darüber hinweg und wartete…
    Oma sah zu der großen, schweigenden Gestalt neben ihr auf. GUTEN ABEND.
»Oh… du bist es wieder.«
DU MUSST ERNEUT EINE WAHL TREFFEN, ESMERALDA
    WETTERWACHS.
»Licht und Dunkelheit? Es ist nie so einfach, nicht einmal für dich.« Tod seufzte. NICHT EINMAL FÜR MICH.
Oma versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Welches Licht und welche Dunkelheit? Auf so etwas war sie nicht vorbereitet. Es fühlte sich nicht richtig an. Einen solchen Kampf hatte sie nicht erwartet. Wessen Licht? Und wem gehörte dieses Bewußtsein?
    Eine dumme Frage. Sie war und blieb sie selbst.
Das durfte sie nie vergessen…
Also… Licht hinter ihr, vorn Dunkelheit…
Sie hatte immer betont, daß Hexen zwischen Licht und Dunkelheit
    standen.
»Sterbe ich?«
JA.
»Werde ich sterben?«
JA.
Oma Wetterwachs überlegte.
»Aber von deiner Perspektive aus gesehen, sterben alle, nicht wahr?« JA.
»Also bist du mir eigentlich keine große Hilfe.«
TUT MIR LEID, ICH DACHTE, DU WOLLTEST DIE
    WAHRHEIT HÖREN. HAST DU VIELLEICHT ERWARTET, DASS ICH DIR HONIG UM DEN MUND SCHMIERE?
»Ha…«
    Die Luft bewegte sich nicht, und das einzige Geräusch war das leise Zischen ihres Atems. Weißes Licht auf der einen Seite und schwere Dunkelheit auf der anderen… Beides wartete.
    Oma wußte von Menschen, die fast gestorben wären und gewissermaßen im letzten Augenblick ins Leben zurückgekehrt waren, vermutlich aufgrund eines geschickten Daumens an der richtigen Stelle oder weil sich ein an der falschen Stelle steckender Bissen gelöst hatte. Manchmal sprachen diese Personen von einem Licht…
    Dorthin sollte ich gehen, dachte Oma. Aber… zeigte das Licht den Eingang oder den Ausgang?
Tod schnippte mit den Fingern.
Ein Bild erschien auf dem Sand vor ihr. Sie sah sich selbst, wie sie vor
    dem Amboß kniete. Die Szene beeindruckte durch einen bewundernswerten dramatischen Effekt. Eine gewisse Theatralik hatte sie immer zu schätzen gewußt – obwohl sie nie bereit gewesen war, es zuzugeben –, und auf eine körperlose Weise wußte sie die Kraft zu schätzen, mit der sie den Schmerz ins Eisen projizierte. Vielleicht wäre alles noch eindrucksvoller gewesen, wenn nicht jemand einen Kessel aufs eine Ende des Ambosses gestellt hätte.
    Tod bückte sich und nahm eine Handvoll Sand. Er hob ihn hoch, ließ ihn langsam zwischen den Fingern dahinrinnen.
WÄHLE, sagte er. ICH GLAUBE, DU BIST GUT DARIN, EINE WAHL ZU TREFFEN.
    »Könntest du mir irgendeinen Rat geben?« fragte Oma.
WÄHLE RICHTIG.
Oma Wetterwachs wandte sich dem blendend hellen Schimmern zu
    und schloß die Augen.
Dann trat sie zurück.
    Das Licht schrumpfte zu einem winzigen Fleck in der Ferne und verschwand.
    Plötzlich war die Dunkelheit überall und schloß sich wie Treibsand um sie. Es schien keinen Weg zu geben, keine Richtung. Als sie sich bewegte, fühlte sie überhaupt nichts.
    Es gab kein Geräusch, abgesehen von dem leisen Knistern des Sands, der hinter ihrer Stirn rieselte.
Und dann sprach ihr Schatten mit vielen Stimmen.
»Du bist dafür verantwortlich, daß einige Personen gestorben sind, obwohl sie hätten leben können…«
    Die Worten trafen wie Peitschenhiebe und hinterließen blutige Striemen in Omas Selbst.
»Andere lebten, obwohl sie dem Tod geweiht waren«, erwiderte sie.
    Die Finsternis zupfte an ihren Ärmeln.
    »Du hast getötet…«
»Nein, ich habe den Weg gezeigt.«
»Ha! Das sind nur Wörter…«
»Worte sind wichtig«, flüsterte Oma in die Nacht.
»Du hast dir das Recht genommen, über andere zu urteilen… «
»Ich habe mich der Pflicht gestellt. Und ich bin bereit, Rechenschaft
    abzulegen.«
»Ich kenne jeden bösen Gedanken, der dir jemals durch den Kopf gegangen ist…« »Ich weiß.«
»… Gedanken, die du vor allen verborgen hast…«
»Ich weiß.«
»… all die kleinen Geheimnisse, die du nie jemandem anvertraut hast …« »Ich weiß.«
»Wie oft hast du dich danach gesehnt, die Dunkelheit zu umarmen…« »Ja.«
»… du hättest so stark sein können…«
»Ja.«
»Gib dich der Dunkelheit hin…«
»Nein.«
»Gib mir nach…«
»Nein.«
»Lilith Wetterwachs hat nachgegeben, genauso wie Alison Wetterwachs…« »Dafür gibt es keinen Beweis!«
»Gib mir nach…«

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