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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Agnes.
    »Findest du das nicht ein wenig naiv? Es sind doch nur zwei verschiedene Perspektiven für die gleiche Sache. Du mußt dich nicht immer so verhalten, wie es der Rest der Welt von dir verlangt.«
»Spielst du noch immer mit ihr?«
    Lacrimosa schritt ihnen durch die Luft entgegen. Hinter ihr sah Agnes die anderen Vampire.
    »Beiß sie oder laß sie gehen«, fuhr das Mädchen fort. »Meine Güte, sie ist so… tropfenförmig. Komm, Vater möchte dich sprechen. Die anderen Hexen sind zu unserem Schloß unterwegs. Ist das nicht dumm?«
    »Diese Sache betrifft nur mich, Lacci«, sagte Vlad.
    »Jeder Junge sollte ein Hobby haben, aber… Ich bitte dich.« Lacrimosa rollte mit schwarzumrandeten Augen.
Vlad sah Agnes an und lächelte.
    »Begleite uns«, sagte er.
Oma meinte, du sollst bei den anderen sein, erinnerte Perdita sie. »Ja, aber wie soll ich sie finden, wenn wir dort sind?« fragte Agnes laut. »Oh, wir werden sie finden«, erwiderte Vlad.
»Ich meinte…«
»Kommt mit. Wir beabsichtigen nicht, deinen Freundinnen ein Leid
    zuzufügen…«
»Zumindest kein sehr großes«, warf Lacrimosa ein.
»Oder… wir könnten dich hier zurücklassen«, sagte Vlad und lächelte. Agnes sah sich um. Sie waren über den Wolken gelandet, auf einem
    Berggipfel. Die junge Hexe spürte Wärme und Leichtigkeit – Empfindungen, die nur falsch sein konnten. Selbst auf einem Besen hatte sie sich nie so gefühlt. Sie war sich immer der Gravitation bewußt gewesen, die sie nach unten ziehen wollte. Doch während der Vampir ihren Arm hielt, schien jede Zelle ihres Körpers davon überzeugt zu sein, für immer schweben zu können.
    Und wenn sie es ablehnte, Vlad und Lacrimosa zu begleiten, nahm die Rückkehr nach unten entweder sehr viel Zeit in Anspruch oder sehr wenig.
    Außerdem mochte Vlad kleine Reißzähne und bei Westen einen schrecklichen Geschmack haben, aber er schien sich tatsächlich zu ihr hingezogen zu fühlen. Und dabei hatte sie nicht einmal einen sehr interessanten Hals. Agnes und Perdita trafen eine Entscheidung.
    »Wenn du einen Bindfaden an ihr befestigst, könnten wir sie vielleicht wie einen Ballon hinter uns herziehen«, sagte Lacrimosa.
    Außerdem bestand die Möglichkeit, daß sie irgendwann mal mit Lacrimosa allein sein konnte. Wenn das geschah, brauchte sie weder Knoblauch noch einen zugespitzten Pflock oder eine Axt. Dann genügte ein kleines Gespräch über Leute, die zu unfreundlich, zu boshaft und zu dünn waren. Fünf Minuten allein mit Lacrimosa würden genügen. Und vielleicht eine Nadel, sagte Perdita.
    Unter dem Kaninchenbau, tief unter dem Wall, erstreckte sich ein großer Raum mit niedriger Decke. Baumwurzeln wanden sich um die Steine in der Wand.
    An diesen Dingen herrschte in Lancre kein Mangel. Das Königreich war kurz nach dem Rückzug des Eises entstanden und viele Jahrhunderte alt. Stämme hatten geplündert und neu gebaut, um anschließend auszusterben. Lehmwände und Strohdächer der damaligen Häuser waren längst zerfallen, aber unter den Erdwällen verblieben die Ruhestätten der Toten. Niemand wußte, wer hier einst begraben worden war. Gelegentlich konnte man in den Erdhaufen vor Dachshöhlen einen Knochensplitter oder kleine, verrostete Rüstungsteile entdecken. Die Lancrestianer verzichteten auf Ausgrabungen, denn als einfache Leute vom Lande vertraten sie die Ansicht, daß es Unglück brachte, sich von irgendeinem unterirdischen Geist den Kopf abreißen zu lassen.
    Ein oder zwei alte Hügelgräber waren irgendwann geöffnet worden, denn die großen Steine auf ihnen lockten ganz bestimmte Leute an. Wenn man sein unbeschlagenes Pferd dort über Nacht zurückließ und außerdem eine Münze auf den Stein legte, so war am nächsten Morgen die Münze verschwunden, und das Pferd sah man ebenfalls nicht wieder…
    Tief unten auf dem Boden unterm Wall brannte ein Feuer, dessen Rauch durch viele kleine Spalten abzog. Daneben ragte ein birnenförmiger Felsen auf.
    Verence versuchte, auf die Beine zu kommen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht.
»Bist noch zu schwach«, sagte der Felsen.
    Er entfaltete seine Beine. Verence erkannte eine Frau, beziehungsweise ein weibliches Geschöpf: blau wie die übrigen Kobolde, aber mindestens dreißig Zentimeter groß und so dick, daß die Gestalt fast kugelförmig wirkte. Das Geschöpf sah genauso aus wie die kleinen Statuen aus der Zeit des Eises und der Mammuts, als Männer bei Frauen vor allem Quantität bevorzugten. Um des Anstands willen – oder

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