Ruhig Blut!
feuchte Stirn.
»Nun, Florentine Efeu«, sagte sie, »mal sehen, was wir tun können.
Doch zuerst… keine Schmerzen…«
Als sie den Kopf bewegte, sah sie den Mond durch das unverglaste
Fenster. Zwischen Licht und Dunkelheit… Manchmal mußte man einen
solchen Ort aufsuchen.
DA HAST DU RECHT.
Oma Wetterwachs drehte sich nicht um. »Ich dachte mir schon, daß du
hier bist«, sagte sie und kniete im Stroh nieder.
WO SOLLTE ICH AUCH SONST SEIN? erwiderte Tod.
»Weißt du, für wen du gekommen bist?«
EINE WAHL STEHT MIR NICHT ZU. GANZ AM RAND GIBT
ES IMMER EIN WENIG UNGEWISSHEIT.
Oma fühlte die Worte einige Sekunden lang im Kopf, wie schmelzende
Eiswürfel. Noch weiter als ganz am Rand… ganz ganz am Rand mußte
eine Entscheidung getroffen, ein Urteil gefäl t werden.
»Hier ist zu großer Schaden angerichtet worden«, sagte sie schließlich.
Wenige Sekunden später fühlte sie, wie das Leben an ihr vorbeiglitt.
Tod hatte den Anstand, die Scheune ohne ein weiteres Wort zu verlas-
sen.
Als Frau Pattenbusch zögernd anklopfte und dann die Tür öffnete, be-
fand sich Oma im Kuhstall. Die Hebamme beobachtete, wie sie aufstand
und einen Dorn hochhielt.
»Das hat den ganzen Tag über im Bein des Tieres gesteckt«, sagte die
Hexe. »Kein Wunder, daß es unruhig war. Bitte sorg dafür, daß er die
Kuh nicht tötet, verstanden? Sie brauchen sie bestimmt.«
Frau Pattenbusch blickte auf die zusammengerol te Decke im Stroh
hinab. Oma Wetterwachs hatte das Bündel taktvol beiseite geschoben,
damit die jetzt schlafende Frau Efeu es nicht sehen konnte.
»Ich rede mit ihm«, fuhr Oma fort und strich Strohreste von ihrem
Kleid. »Was Frau Efeu betriff… Sie ist stark und jung, und du weißt,
worauf es ankommt. Kümmere dich um sie. Nanny Ogg oder ich schau-
en gelegentlich vorbei. Wenn sie sich erholt hat… Im Schloß wird eine
Amme gebraucht. Vielleicht ist das die beste Lösung.«
In Schnitte gab es wohl kaum jemanden, der es wagen würde, sich
Oma Wetterwachs zu widersetzen, doch im Gesicht der Hebamme zeig-
te sich ein Hauch Mißbilligung.
»Bist du noch immer der Ansicht, daß es besser gewesen wäre, Herrn
Efeu zu fragen?« wandte sich Oma an Frau Pattenbusch.
»Ich hätte vorher mit ihm gesprochen…«, murmelte die Hebamme.
»Magst du ihn nicht? Hältst du ihn für einen üblen Burschen?« Oma
rückte ihre Haarnadeln zurecht.
»Nein!«
»Was hat er mir angetan, daß ich ihm soviel Leid bescheren sol te?«
Agnes mußte laufen, um nicht den Anschluß zu verlieren. Wenn Nanny
Ogg in Fahrt geriet, bewegte sie sich wie von einem Motor angetrieben.
»Wir haben hier doch viele Priester, Nanny!«
»Aber keine Omnianer!« erwiderte Nanny Ogg scharf. »Im letzten Jahr
kamen welche zu uns. Zwei von ihnen klopften an meine Tür !«
»Nun, dafür ist eine Tür da…«
» Und sie schoben eine Broschüre unter der Tür durch. Ihr Titel lautete: Bereue!« schnaufte Nanny Ogg. »Bereuen? Ich? Meine Güte! Ich kann
doch nicht einfach so damit anfangen, Reue zu empfinden. Dann käme
ich überhaupt nicht mehr dazu, irgendwas zu erledigen. Außerdem tut
mir kaum etwas leid«, fügte sie hinzu.
»Ich glaube, du regst dich zu sehr auf…«
»Sie verbrennen Leute!« sagte Nanny.
»Ich habe irgendwo gelesen, daß das tatsächlich einmal der Fal war.«
Agnes keuchte vor Anstrengung, während sie weiter versuchte, mit Nan-
ny Schritt zu halten.
»Aber es geschah vor langer Zeit. Die Priester, die ich in Ankh-
Morpork gesehen habe, begnügten sich damit, Broschüren zu verteilen,
in Zelten zu predigen und langweilige Lieder zu singen…«
»Ha! Die Katze läßt das Miauen nicht, Mädchen!«
Sie eilten durch einen Flur, traten hinter einem Wandschirm hervor –
und sahen sich plötzlich mit dem Durcheinander im Großen Saal kon-
frontiert.
»Hier wimmelt’s von piekfeinen Leuten.« Nanny reckte den Hals. »Ah,
da ist ja unser Shawn…«
Lancres stehendes Heer duckte sich hinter eine Säule, vermutlich in der
Hoffnung, daß ihn niemand mit der gepuderten Lakaienperücke sah, die
für einen wesentlich größeren Lakaien bestimmt war.
Das Königreich Lancre hatte keine nennenswerte Exekutive, und die
meisten der betreffenden Aufgaben nahm Nanny Oggs jüngster Sohn
wahr. König Verence war ein recht fortschrittlicher Herrscher, auf eine
nervöse Art und Weise, aber trotz al seiner Bemühungen ließen sich die
Lancrestianer nicht dazu bewegen, die Demokratie zu akzeptieren.
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