Ruhig Blut!
fragte
sie.
»Wen meinst du?«
»Den Vampir, der mich gebissen hat. Beziehungsweise mich zu beißen
versuchte«, verbesserte sie sich.
»Das läßt sich nachprüfen. Piotr, zeig ihr den Kopf.«
Ein junger Mann ging zum Kamin, streifte sich einen Handschuh über,
nahm den Deckel von einem großen Kochtopf und hob einen Kopf an
den Haaren hoch.
»Das ist nicht Vlad«, sagte Agnes und schluckte. Nein, meinte Perdita.
Vlad war größer.
»Die anderen Vampire kehren zum Schloß zurück«, sagte Piotr. »Zu
Fuß! Du hättest sehen sol en, wie sie versucht haben zu fliegen! Sie wirk-
ten wie in Panik geratene Hühner.«
»Zum Schloß…«, murmelte Agnes.
»Sie müssen es vor dem ersten Hahnenschrei erreichen«, sagte Piotr
nicht ohne gewisse Zufriedenheit. »Und wegen der Werwölfe können sie
nicht die Abkürzung durch den Wald nehmen.«
»Was?« fragte Agnes. »Ich dachte, Werwölfe und Vampire kommen gut
miteinander zurecht.«
»Oh, so sieht es vielleicht aus«, erwiderte Piotr. »Aber sie beobachten
sich ständig und warten darauf, wer als erster blinzelt.« Er sah sich im
Zimmer um. »Gegen die Werwölfe haben wir eigentlich nichts«, fuhr er
fort, und die übrigen Anwesenden brummten zustimmend. »Die meiste
Zeit lassen sie uns in Ruhe, weil wir nicht schnell genug laufen. Deshalb
sind wir uninteressant für sie.«
Er musterte Agnes von Kopf bis Fuß.
»Was hast du mit den Vampiren angestellt?«
»Ich?« entgegnete Agnes überrascht. »Ich habe gar nicht… Ich meine,
ich weiß nicht.«
»Sie konnten uns nicht einmal richtig beißen.«
»Und sie stritten wie Kinder, als sie uns verließen«, sagte der Mann mit
dem Holzhammer.
»Du trägst einen spitzen Hut«, stellte Piotr fest. »Hast du sie irgendwie
verhext?«
»Ich… ich weiß nicht. Wirklich nicht.« Und dann traf angeborene Ehr-
lichkeit auf Hexerei. Ein Aspekt der Hexerei ist Gerissenheit und es ist
nur selten unklug, das Verdienst für unerklärliche, aber glückliche Ereig-
nisse zu beanspruchen. »Nun, viel eicht habe ich das tatsächlich.«
»Wir verfolgen die Vampire«, sagte Piotr.
»Ist ihr Vorsprung nicht zu groß?«
»Wir nehmen die Abkürzung durch den Wald.«
Blut färbte den Regen rot, der von Jason Oggs Schulter tropfte. Er be-
tupfte die Wunde mit einem Lappen.
»Ich schätze, für ein oder zwei Wochen muß ich mit der linken Hand
hämmern«, sagte er und verzog das Gesicht.
»Der Gegner hat ein sehr gutes Schußfeld«, brummte Shawn. Er hock-
te hinter dem Bierfaß, das vor kurzer Zeit bei der Namensgebung des
Babys eine wichtige Rol e gespielt hatte. »Ich meine, es ist ein Schloß. Ein Frontalangriff nützt einfach nichts.«
Er seufzte und schirmte die Kerze ab, damit der Wind sie nicht aus-
blies. Sie hatten es trotzdem mit einem Frontalangriff versucht, und es
war nur deshalb niemand ums Leben gekommen, weil innerhalb der Fes-
tung offenbar ziemlich viel getrunken wurde. Mehrere Angreifer würden
eine Zeitlang hinken, aber zum Glück gab es keine schlimmeren Konse-
quenzen. Anschließend hatten sie es mit etwas versucht, das Jason wei-
terhin »Hintenangriff« nannte, doch selbst über der Küche gab es
Schießscharten. Einem Mann war es gelungen, ganz langsam zur
Schloßmauer zu kriechen – Shawn hatte sich dafür die Bezeichnung
»Schleichangriff« einfallen lassen –, aber da alle Türen fest verriegelt wa-
ren, stand er einfach dort und kam sich ziemlich dumm vor.
Shawn hatte gehofft, in den alten militärischen Aufzeichnungen des
Generals Taktikus Hilfe zu finden. Dessen Feldzüge waren so erfolgreich
gewesen, daß man seinen Namen benutzte, um die ausgefeilte Anwen-
dung der Kriegskunst zu beschreiben. Es gab tatsächlich einen Abschnitt
mit dem Titel »Wie man vorgehen muß, wenn eine Streitmacht eine gut
befestigte und weit überlegene Position einnimmt, während die andere
viel schlechter steht.« Doch der erste Satz dieses Kapitels lautete »Versu-
che, die erstere Streitmacht zu sein«, und daraufhin verlor Shawn das
Interesse.
Die übrigen Angehörigen der Miliz von Lancre hockten hinter Pfeilern
und umgekippten Karren. Sie warteten darauf, daß Shawn sie anführte.
Es klapperte respektvoll, als der Große Dumme Dummkopf – er fun-
gierte als Deckung für zwei Teilzeitsoldaten – vor seinem Kommandeur
salutierte.
»Es vielleicht gute Idee ist, großes Feuer anzuzünden vor Tor«, meinte
er. »Damit wir sie ausräuchern könnten.«
»Nicht übel«,
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