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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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gewöhnt. »Er
    war nicht besonders guter Laune, und als er die Häuser im Regen sah,
    meinte er: ›Meine Güte, ist dies ein blödes Kaff!‹ Da der Ort zu jener
    Zeit noch keinen Namen hatte, haben sie die Bezeichnung einfach über-
    nommen…«
    Erneut hal te der gräßliche Schrei durch den Wald. Agnes dachte an
    gewisse Geschöpfe, die es Gerüchten zufolge in den Bergen geben sol te,
    und zog Hilbert Himmelwärts wie einen Karren hinter sich her.
    Dann erklang das Geräusch direkt vor ihnen, und dort, wo der Weg ei-
    ne Kurve beschrieb, ragte ein Kopf aus dem Gebüsch.
    Agnes hatte Bilder von einem Strauß gesehen.
    Man skizziere einen, male Kopf und Hals mit einem grel en Gelb an,
    füge eine Halskrause aus roten und purpurnen Federn hinzu und statte
    den Kopf mit zwei großen runden Augen aus, deren Pupillen bei jeder
    Bewegung erzittern…
    »Ist das ein besonders lancrestianisches Huhn?« fragte Himmelwärts
    eingeschüchtert.
    »Ich bezweifle es«, erwiderte Agnes. Eine der langen Federn war mit
    einem Schottenkaro verziert.
    Der Schrei hob erneut an, brach jedoch ab, als Agnes vortrat, die Er-
    scheinung am Hals packte und daran zog.
    Ein Arm wurde sichtbar, und ihm folgte eine Gestalt aus dem Busch.
    »Festgreifaah?«
    Er antwortete mit einem Quaken.
    »Nimm das Ding aus dem Mund«, sagte Agnes. »Damit klingst du wie
    ein Narr.«
    Er ließ die Pfeife verschwinden. »Entschuldige, Fräulein Nitt.«
    »Auch auf die Gefahr hin, daß mir die Antwort nicht gefäl t: Festgrei-
    faah, warum versteckst du dich im Gebüsch, deinen Arm wie Hetty die
    Henne zurechtgemacht? Und warum machst du so gräßliche Geräu-
    sche?«
    »Ich versuche, den Phönix anzulocken, Fräulein.«
    »Den Phönix? Das ist doch ein mythologischer Vogel, Festgreifaah.«
    »Ja, Fräulein. Und jetzt gibt es einen in Lancre, Fräulein. Er ist noch
    sehr klein, Fräulein. Und ich bemühe mich, ihn zu finden.«
    Agnes betrachtete den bunten Ärmel. Oh, ja, wenn man Küken groß-
    zog, so mußte man ihnen zeigen, welche Art von Vogel sie waren, und
    dafür benutzte man eine Mischung aus Handschuh und Puppe. Aber…
    »Festgreifaah?«
    »Ja, Fräulein?«
    »Ich bin natürlich keine Expertin, aber wenn ich mich recht entsinne,
    geht aus der al gemein bekannten Legende hervor, daß der Phönix nie
    seine Eltern zu Gesicht bekommt. Es gibt immer nur jeweils einen Phö-
    nix. Ein Jungvogel ist automatisch Waise. Verstehst du?«
    »Ähm, darf ich etwas hinzufügen?« fragte Himmelwärts. »Ich muß sa-
    gen, daß Fräulein Nitt recht hat. Der Phönix baut ein Nest und ver-
    brennt dann, woraufhin sich ein neuer Vogel aus der Asche erhebt. Das
    habe ich gelesen. Wie dem auch sei: Es ist eine Allegorie.«
    Festgreifaah betrachtete den Puppenphönix an seinem Arm und senkte
    verlegen den Blick.
    »Entschuldige bitte, Fräulein.«
    »Es läuft also darauf hinaus, daß ein Phönix nie einen anderen Phönix
    sehen kann«, betonte Agnes.
    »Davon weiß ich leider nichts, Fräulein«, sagte Festgreifaah und starrte
    noch immer auf seine Stiefel.
    Agnes fiel etwas ein. Der Falkner hielt sich praktisch immer draußen
    auf…
    »Festgreifaah?«
    »Ja, Fräulein?«
    »Bist du den ganzen Morgen über im Wald gewesen?«
    »Oh, ja, Fräulein.«
    »Hast du Oma Wetterwachs gesehen?«
    »Ja, Fräulein.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, Fräulein.«
    »Wo?«
    »Oben im Wald unweit der Grenze, Fräulein. Beim ersten Licht des
    Tages, Fräulein.«
    »Warum hast du es mir nicht sofort gesagt?«
    »Äh… wolltest du es wissen, Fräulein?«
    »Oh. Ja… Was hast du dort oben gemacht?«
    Festgreifaah antwortete, indem er mehrmals in die Entenpfeife blies.
    Agnes griff nach dem Arm des Priesters.
    »Komm, laß uns zur Straße gehen. Wir müssen zu Nanny…«
    Festgreifaah blieb mit Handschuhpuppe, Entenpfeife, Rucksack und
    vol er Unbehagen zurück. Man hatte ihn gelehrt, Hexen zu respektieren,
    und Fräulein Nitt war eine Hexe. Der Mann in ihrer Begleitung sicher
    nicht, aber sein Verhalten kennzeichnete ihn als jemanden, der zu einer
    ganz bestimmten Kategorie von Personen gehörte. Festgreifaah bezeich-
    nete sie als »Höhergestel te«, und dies war eine ziemlich umfangreiche
    Kategorie. Höhergestellten widersprach man nicht. Festgreifaah war ein
    Ein-Mann-Feudalsystem.
    Doch als er seine Sachen zusammenpackte und sich anschickte, den
    Weg fortzusetzen, gingen ihm einige Gedanken durch den Kopf: Bücher
    über die Welt wurden von Leuten geschrieben, die al es über

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