Ruhig Blut!
ein Hackbeil gesehen…«
»Sollten wir nicht besser gehen?« schlug Magrat vor. »Bevor jemand
anders kommt?«
»Na schön. Er ist ohnehin kein besonders hochrangiger Vampir.«
Nanny winkte ab. »Immerhin trägt er keine sehr interessante Weste.«
Eine vom Regen silbrige Nacht erwartete sie. Mit gesenktem Kopf eil-
ten die Hexen durch die dunstige Düsternis.
»Ich muß das Baby neu wickeln!«
»Ja, und zwar in einen Regenmantel«, erwiderte Nanny. »Ausgerechnet
jetzt?«
»Es ist ziemlich dringend…«
»Na schön. Da drin.«
Sie betraten den Stal . Nanny sah in die Nacht zurück und schloß leise
die Tür.
»Hier drin ist es sehr dunkel«, flüsterte Magrat.
»Als junge Frau konnte ich Babys al ein nach dem Gefühl wickeln.«
»Mir wär’s lieber, wenn ich mich dabei auch auf die Augen verlassen
könnte. He… da ist Licht…«
Am anderen Ende der Pferdeboxen schimmerte matter Kerzenschein.
Igor bürstete die Pferde, bis ihr Fel glänzte, und die ganze Zeit über
führte er ein leises Selbstgespräch. Offenbar beschäftigte ihn irgend et-
was.
»Meine Ftimme paft ihnen nicht, wie? Und mein Humpeln paft ihnen
ebenfal f nicht. Aber waf weif er schon? Dummer junger Fpund! Hör
hiermit auf, Igor, hör damit auf… Und überal wimmelt ef von jungen
Leuten, die mir auf der Nafe herumtanfen wol en… Auch fie haben Ver-
pflichtungen. Der alte Herr wuffte daf! Ein Diener ift kein Fklave…«
Er sah sich um. Ein kleines Stück Stroh fiel zu Boden. Igor bürstete
erneut. »Ha! Hol dief, hol daf… Nie auch nur ein bifchen Refpekt, o
nein…«
Er hielt inne und strich sich ein weiteres Stück Stroh vom Ärmel.
»… und noch etwaf…«
Es knarrte, und plötzlich spürte er einen Luftzug. Das Pferd scheute in
seiner Box. Igor wurde zu Boden geworfen, und sein Kopf schien plötz-
lich in einem Schraubstock zu stecken.
»Wenn ich jetzt die Knie zusammendrücke«, ertönte die fröhlich klin-
gende Stimme einer Frau, »quillt dir vermutlich das Gehirn aus der Nase.
Aber das wird sicher nicht passieren, weil wir jetzt Freundschaft schlie-
ßen. Sag ja.«
»Ugl…«
»Ich schätze, unter den gegenwärtigen Umständen muß diese Antwort
genügen.«
Nanny Ogg stand auf und strich Stroh von ihrem Kleid.
»Ich habe schon sauberere Heuboden gesehen«, sagte sie. »Auf die
Beine, Herr Igor. Und wenn du versuchst, dir irgend etwas Schlaues ein-
fallen zu lassen: Meine Kollegin dort drüben hält eine Heugabel, und sie
kann nicht besonders gut zielen, und wer weiß, welchen Teil von dir sie treffen würde…«
»Trägt fie da ein Baby?«
»Wir sind sehr modern«, erwiderte Nanny. »Haben immer alles dabei.
Und jetzt bekommen wir auch noch deine Kutsche, Igor.«
»Tatsächlich?« fragte Magrat. »Und wohin fahren wir?«
»Es ist eine sehr unangenehme Nacht. Ich möchte das Baby nicht Re-
gen und Kälte aussetzen, aber ich weiß auch, daß in der Nähe dieses
Ortes ständig Gefahr droht. Viel eicht können wir bis morgen früh die
Ebene erreichen.«
»Ich werde Lancre nicht verlassen!«
»Rette das Kind«, sagte Nanny. »Sorg dafür, daß es eine Zukunft gibt.
Außerdem…« Sie flüsterte etwas, das Igor nicht verstand.
»Wir können nicht sicher sein«, erwiderte Magrat.
»Du weißt ja, wie Oma denkt«, sagte Nanny. »Es entspräche bestimmt
ihrem Wunsch, daß wir das Kind in Sicherheit bringen. Also spann die
Pferde an, Igor.«
»Fehr wohl, Herrin«, antwortete der Diener lammfromm.
»Erlaubst du dir einen Spaß mit mir, Igor?«*
»Nein, ef ift mir ein Vergnügen, von einer feften, autoritären Ftimme
Anweifungen zu erhalten, Herrin«, sagte Igor und humpelte zum Zaum-
zeug. »Kein Unfug in der Art von ›Würdeft du bitte…‹ und dergleichen.
* Normalerweise hatte Nanny nichts gegen Spaß einzuwenden, aber es kam
dabei auf die Art von Humor an.
Ein Igor weif gern, wo er fteht.«
»Ein wenig schief?«
»Der alte Herr hat mich jeden Tag gepeitscht!« sagte Igor stolz.
»Und das hat dir gefallen?« fragte Magrat.
»Natürlich nicht! Aber fo gehört ef fich! Er war ein Gentleman, und
mir gebührte ef nicht einmal, ihm die Ftiefel fauberzulecken…«
»Aber du hast es trotzdem getan?« erkundigte sich Nanny.
Igor nickte. »Jeden Morgen. Und anschliefend habe ich fie geputzt.«
»Nun, hilf uns, diesen Ort zu verlassen«, sagte Nanny. »Dann lasse ich
dich mit einem parfümierten Schnürsenkel auspeitschen.«
»Herflichen Dank, aber ich wol te ohnehin weg von
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