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Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Titel: Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascale Hugues
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Monaten lässt er seine Katze in die dunkle Ecke unter den Briefkästen neben dem Treppenaufgang pissen.
    Ebenfalls gut geeignet, Wutausbrüche auszulösen: die Kinder, die nicht grüßen, über das Treppengeländer rutschen, im Flur Basketball spielen oder auf dem Gehsteig Skateboard fahren. Die Schlaflosen, die mitten in der Nacht im Fernsehen Wrestling sehen, die Wasserspülung betätigen und auf ihrem knarrenden Parkett auf und ab gehen, um die Zeit totzuschlagen. Das Rolling-Stones-Groupie, das an Sommernachmittagen die Fenster weit öffnet und die brüllenden Raubtiere aus dem ersten Stock entlässt. Die ganze Straße hämmert
I can’t get no
 … Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, dass die Mission der Rolling Stones darin bestand, das Gabelgeklapper und die Gespräche auf der Terrasse des italienischen Restaurants zu übertönen. Ein vertikaler Krieg zwischen der Mieterin im Ersten, die auf das Recht pocht, abends bei offenen Fenstern die Nachtkühle zu genießen, und dem Inhaber des Restaurants, der sich über seine rappelvolle Terrasse freut. Die Frühaufsteher werden am Ende des Abends regelmäßig von den Schreien der Duellanten aus dem Schlaf gerissen, die sich mit «Du alte Ziege, du!» – «Selber!» um den letzten Parkplatz am Gehsteigrand streiten. Unerträglich auch die Kettenraucher aus dem Zweiten, die bei weit offenen Fenstern die oberen Stockwerke verqualmen. Der hartnäckige Rauch dringt manchmal gar durch die Ritzen des Fußbodens. Die Geigenstunde eines widerspenstigen Kindes, eine wöchentliche Tortur für die ganze Straße. Der Kohl- und Fischgeruch, der das Treppenhaus beschlägt und bis auf den Gehsteig überschwappt. Und die Musiker. Das sind die Schlimmsten. Der Sohn, der die Akkorde auf seiner elektrischen Gitarre im Treppenhaus anschlägt, weil da die Akustik besser ist als im elterlichen Wohnzimmer. «Das Haus hat gebebt», erinnern sich die Nachbarn. Und als die Freundin des jungen Mannes mit ihrer weißen Ratte auf der Schulter auftauchte, wurde diese respektable Familie bezichtigt, in ihrer Wohnung Nagetiere zu züchten. Einer der Mieter drohte gar, den Kammerjäger zu holen.
     
    Für eines der größten Highlights unter all diesen Geschichten aber sorgte die ehemalige Mieterin der Wohnung gegenüber der meinen. Man hat mir so viel über diese Frau erzählt, dass ich fast ein wenig enttäuscht bin, sie nicht mehr kennengelernt zu haben. «Was diese Frau uns Nerven gekostet hat!», sagt der heutige Besitzer. «Sie hat allein Probe getrunken. Einen Piccolo, ein Valium, immer abwechselnd.» Und wenn nachts der Fahrstuhl lief, dann wusste der Hauswart: «Ah, ah, sie ist wieder unterwegs!» Er stürzte sich aus seiner Loge, um die Nachbarin im Nachthemd abzufangen und wieder nach Hause zu bringen. Eines Tages drang von ihrer Küche Rauch in den Hinterhof hinaus. Es war der Fußballtrainer, der das Haus benachrichtigte: «Da kommt Qualm aus der Küche!» Der zu Hilfe gerufene Arzt entdeckte durch einen Schlitz in der Tür ihren leblosen Körper auf dem Läufer im Flur, neben ihr inmitten einer Riesenpfütze Alkohol die Zahnprothese. Die Feuerwehr wurde gerufen. « 6  Wagen kamen. Was für ein Aufstand!» Sie traten die Tür ein und schleiften den Körper ins Treppenhaus hinaus. Sie lebte noch. «Wir haben uns dann zurückgezogen», sagt mein Nachbar. Später wurde die Unglückliche von einem Taxifahrer und dessen Freundin vom Strich abgezogen. «Am helllichten Tag haben sie die Teppiche runtergetragen. Sie guckten aus dem Fenster raus, weil das Auto zu voll war.» Die beiden Schlitzohren brachten, so wird erzählt, 700 000  Mark nach Zürich. Die Kripo verlor ihre Spur.
    Und groß war die Überraschung, als die Mieter der Nummer  12 eines Abends ihre Hauswartsfrau, in stiller Übereinkunft «die olle Greul» genannt, mit Perücke und hohen roten Lackstiefeln auf der Potsdamer Straße auf dem Strich entdeckten. Die «olle Greul», ein Name, der so gut zu der kleinen bösartigen Ziege passte, die im Treppenhaus einen «Fraßgestank» ausbreitete und an Wochenenden um sieben Uhr morgens das ganze Haus mit einem Mülldeckelkonzert beglückte.
     
    Um all diese Geschichten zu finden, musste ich natürlich ein wenig bohren. Wir haben es hier mit einer Straße im Norden Europas zu tun. Das Leben kullert nicht, lärmend und hemmungslos, auf die Gehsteige hinaus wie in den südlichen Städten. Außerdem ist sie viel zu bürgerlich, als dass die Anwohner es wagen

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