Ruht das Licht
ich, den Motor von Dads Wagen aufheulen zu hören, aber es war Moms und ich saß darin. Mir war, als fräße das Fieber mich bei lebendigem Leib. Draußen vor dem Fenster verschwammen die Sterne mit dem kalten Nachthimmel, während wir fuhren . Ich fühlte mich klein und einsam und ich hatte solche Schmerzen. Sam Sam Sam Sam wo bist du?
»Schatz«, erklang Moms Stimme vom Fahrersitz. »Sam ist nicht hier.«
Ich schluckte meine Tränen hinunter und sah zu, wie die Sterne davonstoben.
KAPITEL 16
SAM
In der Nacht, als Grace ohne mich ins Krankenhaus gebracht wurde, wandte ich meine Aufmerksamkeit endlich wieder den Wölfen zu.
Es war eine Nacht voller winziger Zufälle, die alle aufeinanderprallten und plötzlich ungeahnte Ausmaße annahmen. Wenn Grace nicht krank geworden wäre, wenn ihre Eltern nicht früher als sonst nach Hause gekommen wären, wenn sie uns nicht erwischt hätten, wenn ich nicht zu Becks Haus gefahren wäre, wenn Isabel nicht Cole an ihrer Hintertür gehört hätte, wenn sie ihn nicht zu mir gebracht hätte, wenn Cole nicht zu gleichen Teilen Junkie, Arschloch und Genie gewesen wäre – wie wäre mein Leben wohl von diesem Punkt an verlaufen?
Bei Rilke heißt es: »Verweilung, auch am Vertrautesten nicht, ist uns gegeben. «
Schon jetzt fehlte mir das Gewicht von Grace’ Hand in meiner.
Nichts war nach dieser Nacht noch so, wie es gewesen war. Nichts.
Nachdem ich zu Grace’ Vater ins Auto gestiegen war, fuhr er mich in die enge Gasse hinter dem Buchladen, in der mein VW stand. Vorsichtig navigierte er den Wagen an den Mülltonnen links und rechts vorbei, um nicht mit den Außenspiegeln daranzustoßen. Direkt hinter meinem Auto blieb er stehen, sein stummes Gesicht wurde von der flackernden Laterne über der Hintertür des Ladens erhellt. Auch ich sagte nichts, eine giftige Mischung aus Schuldbewusstsein und Wut versiegelte mir die Lippen. So saßen wir da, bis wir plötzlich aufschreckten, als die Scheibenwischer über die Frontscheibe quietschten. Er hatte sie versehentlich auf Intervall geschaltet, als er den Blinker anstellte, um in die Gasse einzubiegen. Jetzt ließ er sie noch einmal über die bereits saubere Scheibe wischen, bevor er daran dachte, sie auszuschalten.
Schließlich sagte er, ohne mich anzusehen: »Grace ist immer perfekt gewesen. Mit ihren siebzehn Jahren hat sie nicht ein Mal Ärger in der Schule gehabt. Sie hat nie mit Drogen oder Alkohol angefangen, bekommt nur Einsen. Sie war immer die perfekte Tochter.«
Ich sagte nichts.
»Bis jetzt«, fuhr er fort. »Wir werden nicht zulassen, dass jetzt jemand kommt und das alles zunichtemacht. Ich kenne dich nicht, Samuel, aber ich kenne meine Tochter. Und ich weiß, dass das ganz allein dein Einfluss ist. Ich will dir nicht drohen, aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du meine Tochter verdirbst. Du solltest erst mal darüber nachdenken, wie du deine Prioritäten setzt. Dann darfst du sie vielleicht wiedersehen.«
Einen Augenblick lang probierte ich alle möglichen Antworten im Kopf aus, aber sie klangen entweder zu bissig oder zu ehrlich, als dass ich mir hätte vorstellen können, sie auszusprechen. Also stieg ich einfach aus in die eisige Nacht und hielt alles in mir verschlossen.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass mein Wagen auch ansprang, bevor er auf die leere Straße zurücksetzte und wegfuhr, saß ich mit gefalteten Händen auf dem Fahrersitz und starrte auf die Hintertür des Ladens. Es kam mir vor, als wäre es schon Tage her, dass Grace und ich zusammen dort hindurchgegangen waren, ich noch immer berauscht vom Gedanken an die Studiorechnung und sie noch immer berauscht von meiner Reaktion und vor Freude darüber, genau das richtige Geschenk für mich gefunden zu haben. Jetzt konnte ich mir ihr zufriedenes Gesicht kaum noch vorstellen. Alles, woran ich denken konnte, war, wie sie sich vor Schmerzen auf dem Bett wand, das Gesicht gerötet, und diesen Wolfsgeruch verströmte.
Sie hat nur Fieber.
Das versuchte ich mir einzureden, während ich zu Becks Haus fuhr. Meine Scheinwerfer spendeten das einzige Licht in der tiefschwarzen Nacht, sie glitten flackernd über die dunklen Baumstämme zu beiden Seiten der Straße. Wieder und wieder sagte ich mir das vor, selbst als mein Bauch mir zuflüsterte, dass es nicht so war. Ich konnte meine Hände nur mühsam davon abhalten, das Lenkrad herumzureißen und den Wagen wieder zurück zum Haus der Brisbanes zu steuern.
Auf halbem Weg zog ich mein Handy
Weitere Kostenlose Bücher