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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Dingern, unter denen man seinen Schlüssel verstecken kann«, erwiderte ich.
    Grace hakte ihre Finger in meine Jeanstasche. Ich wollte gerade an die Tür klopfen, als ich eine winzige Holzplakette entdeckte, auf die jemand mit Edding STUDIOEINGANG HINTEN geschrieben hatte.
    Wir gingen also um den Bungalow herum, wo rissige Betonstufen, die zu tief waren, um zu unserer Schrittlänge zu passen, uns zum Souterrain und einem Schild führten, auf dem mit demselben Stift geschrieben war: ANARCHY RECORDING, INC. EINGANG HIER. Darunter stand ein Blumentopf mit ein paar schlappen Stiefmütterchen, die zu früh gepflanzt worden waren und Frost abgekriegt hatten.
    Ich wandte mich zu Grace um und grinste sie an. »Guck mal, ›Anarchy Incorporated‹ – Die Anarchie-AG. Das nenne ich Sinn für Ironie.«
    Grace warf mir einen vernichtenden Blick zu und klopfte. Ich wischte mir meine plötzlich feuchten Hände an der Jeans ab.
    Die Tür ging auf und vor uns standen ein weiterer Labrador, dieser allerdings ziemlich lebendig, und ein Mädchen Mitte zwanzig mit einem roten Bandana um den Kopf. Sie war so wenig hübsch, sah aber gleichzeitig dermaßen interessant aus, dass sie es irgendwie schaffte, geradewegs an hässlich vorbeizusegeln und direkt auf der anderen Seite zu landen, die fast genauso gut wie hübsch war. Eine riesige, krumme Nase, schläfrig wirkende dunkelbraune Augen mit schweren Lidern und scharf hervortretende Wangenknochen. Ihr schwarzes Haar türmte sich in einem halben Dutzend ineinander verschlungener Zöpfe auf ihrem Kopf, wie bei einer mediterranen Prinzessin Leia.
    »Sam und Grace? Kommt rein.« Sie hatte eine tolle Stimme, so komplex. Eine Raucherstimme. Aber der Geruch, der nach draußen drang, war der von Kaffee, nicht von Zigaretten. Grace, plötzlich ganz motiviert, trat ins Studio und folgte dem Duft des Koffeins wie die Ratte dem Rattenfänger.
    Als die Tür hinter uns zufiel, befanden wir uns mit einem Mal nicht mehr im Kellergeschoss eines heruntergekommenen Bungalows, sondern in einer Hightechraumkapsel, die durch ein fremdes Universum schwebte. Wir standen vor einer Wand aus Mischpulten und Computermonitoren; Deckenleuchten erhellten Tastaturen und ein schickes schwarzes Sofa. Eine große Glasscheibe gab den Blick auf einen dunklen, schallgedämmten Raum mit einem Klavier und einer Reihe Mikrofone frei.
    »Ich bin Dmitra«, stellte sich das Mädchen mit den Zöpfen vor und streckte die Hand aus. Sie sah mich unverwandt an, während mein Blick kurz an ihrer Nase hängen blieb und dann zu ihren Augen wanderte, und in dem Moment schlossen wir einen unausgesprochenen Pakt: Sie würde meine gelben Augen nicht anstarren und ich nicht ihre Nase. »Bist du Sam oder Grace?«
    Ich lächelte, weil sie das so trocken rüberbrachte, und schüttelte ihr die Hand. »Sam Roth. Schön, dich kennenzulernen.«
    Dmitra gab auch Grace die Hand, die sich gerade mit dem Labrador anfreundete, und fragte dann: »Und, Leute, was haben wir heute vor?«
    Grace sah mich an.
    »Ein Demo, schätze ich«, antwortete ich.
    »So, so, schätzt du, ja? Und an welche Instrumentalisierung hast du gedacht?«
    Ich hob den Gitarrenkoffer etwas an.
    »Okay«, sagte sie. »Hast du so was schon mal gemacht?«
    »Nö.«
    »Eine Jungfrau also. Das ist manchmal genau das Richtige«, entgegnete Dmitra.
    Sie erinnerte mich an Beck. Obwohl sie lächelte und mit uns scherzte, merkte ich, dass sie Grace und mich genau beobachtete und ihre Schlüsse zog. So machte Beck das auch: Er vermittelte einem den Eindruck von Vertrautheit, während er noch überlegte, ob man seine Zeit wert war oder nicht.
    »Dann musst du gleich da rein«, fuhr sie fort. »Will einer von euch noch einen Kaffee, bevor wir loslegen?«
    Dmitra deutete in Richtung der Kochnische und Grace bewegte sich wie auf Knopfdruck darauf zu. Während sie Kaffee holen war, fragte mich Dmitra: »Was hörst du denn so?«
    Ich legte den Gitarrenkoffer aufs Sofa und nahm meine Gitarre heraus. Ich wollte nicht zu wichtigtuerisch klingen. »Viel Indiekram. The Shins, Elliott Smith, José Gonzalez. Damien Rice. Gutter Twins. So was in der Art.«
    »Elliott Smith«, wiederholte Dmitra, als hätte ich überhaupt nichts anderes gesagt. »Verstehe.«
    Grace kam mit einer potthässlichen Tasse mit einem Hirsch drauf zurück und Dmitra machte irgendwas am Computer, was vielleicht so wichtig war, wie sie es aussehen ließ, vielleicht aber auch nicht. Schließlich führte sie mich in den Aufnahmeraum,

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