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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gegrillt hat. Wir haben uns gedacht, dass man diesen Effekt vielleicht mithilfe von Fieber imitieren könnte, und was Besseres als Meningitis ist uns nicht eingefallen.«
    »Bei einer Überlebensrate von fünfunddreißig Prozent«, sagte Cole.
    »Zehn bis dreißig Prozent«, korrigierte ich ihn. »Und, wie ich schon sagte – Sam hat es geheilt. Jack hat es umgebracht.«
    »Jack ist dein Bruder?«
    »War er, ja.«
    »Und du hast ihm die Meningitiserreger injiziert?«
    »Nein, das war Grace. Aber ich hab das infizierte Blut besorgt.«
    Cole wirkte ungeduldig. »Ich muss dir ja wohl nicht erklären, warum deine Schuldgefühle vollkommener Quatsch sind, oder?«
    Meine Augenbraue schoss in die Höhe. »Ich –«
    »Pssst«, unterbrach er mich. Er zog die ausgestreckte Hand zurück, legte sie um seine Kaffeetasse und starrte auf die Salz- und Pfefferstreuer. »Ich denke nach. Sam verwandelt sich also gar nicht mehr?«
    »Nein. Das Fieber hat den Wolf aus ihm rausgebrannt oder so.«
    Cole schüttelte den Kopf, sah aber nicht auf. »Das ergibt keinen Sinn. Das hätte eigentlich gar nicht funktionieren dürfen. Das ist ja so, als würde man sagen, man zittert, wenn einem kalt ist, und schwitzt, wenn einem warm ist, also muss man sich, um den Rest seines Lebens nicht mehr zu zittern, bloß für ein paar Minuten in einen Pizzaofen setzen.«
    »Tja, so ist es aber. Das war Sams letztes Jahr. Eigentlich müsste er jetzt ein Wolf sein, aber das Fieber hat ihn geheilt.«
    Stirnrunzelnd sah er mich an. »Ich würde nicht sagen, dass ihn das Fieber geheilt hat. Sondern dass die Meningitis irgendwie bewirkt hat, dass er sich nicht mehr verwandelt. Und dass irgendwas daran, dass Grace im Auto eingesperrt war, bewirkt hat, dass sie sich nicht verwandelt. Das wäre eventuell möglich. Aber dass es am Fieber liegt? Dafür gibt es keinen Beweis.«
    »Jetzt hör sich das einer an. Wer bist du, Mr Wissenschaft?«
    »Mein Vater –«
    »Der verrückte Professor«, unterbrach ich ihn.
    »Genau, der verrückte Professor. In seinen Seminaren hat er immer so einen Witz erzählt. Es geht um einen Frosch. Glaub ich zumindest, könnte auch ein Grashüpfer gewesen sein. Aber bleiben wir mal beim Frosch. Also, ein Wissenschaftler hat einen Frosch und sagt: ›Spring, Frosch.‹ Der Frosch springt einen Meter weit. Der Wissenschaftler notiert sich: Frosch springt einen Meter weit. Dann hackt er dem Frosch ein Bein ab und sagt wieder: ›Spring, Frosch.‹ Der Frosch springt fünfzig Zentimeter weit. Der Wissenschaftler notiert sich: Ein Bein abgehackt, Frosch springt fünfzig Zentimeter weit. Dann hackt er ihm noch ein Bein ab und sagt: ›Spring‹, und der Frosch springt zwanzig Zentimeter weit. Der Wissenschaftler notiert sich: Zwei Beine abgehackt, Frosch springt zwanzig Zentimeter weit. Dann hackt er ihm auch noch die anderen beiden Beine ab und sagt: ›Spring‹, und der Frosch liegt einfach nur da. Der Wissenschaftler notiert sich: Wenn man einem Frosch alle Beine abhackt, wird das Subjekt taub.« Cole sah mich an. »Kapiert?«
    »Ich bin ja keine komplette Idiotin«, erwiderte ich indigniert. »Du denkst, wir haben falsche Schlüsse gezogen. Aber es hat funktioniert. Ist doch egal, warum, oder?«
    »Für Sam wahrscheinlich schon, wenn es funktioniert«, gab Cole zu. »Aber ich glaube eben, dass Beck es nicht richtig durchblickt hat. Er hat mir gesagt, dass Kälte uns zu Wölfen macht und Wärme zu Menschen. Aber wenn das stimmen würde, wären neue Wölfe wie ich nicht so instabil. Man kann sich nicht einfach irgendwelche Regeln ausdenken und dann sagen, dass sie am Anfang noch nicht richtig gelten, nur weil der Körper sich noch dran gewöhnen muss. So funktioniert das nicht in der Wissenschaft.«
    Ich dachte nach. »Du meinst also, das war auch nur Froschlogik?«
    Cole antwortete: »Ich weiß es nicht. Darüber hab ich gerade nachgedacht, als du gekommen bist. Ich wollte austesten, ob ich die Verwandlung auch mit was anderem als Kälte auslösen kann.«
    »Mit Adrenalin. Und Blödheit.«
    »Ja, ja, schon gut. Also, ich würde mir das jedenfalls so vorstellen, aber ich kann auch unrecht haben: Ich glaube nicht, dass es die Kälte ist, die die Verwandlung auslöst. Ich glaube, es ist eher die Art, wie das Gehirn auf Kälte reagiert, die dem Körper sagt, er soll sich verwandeln. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Das eine ist die reale Temperatur. Und das andere ist die Temperatur, die das Gehirn einem weismachen will.« Coles

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