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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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würde er versuchen, ein Geständnis aus mir herauszulocken. Und ich wusste nicht, ob es noch etwas gab, was ich hätte gestehen können.
COLE
    Ich lag da, zerstört, auf dem Boden. Ich war so sicher gewesen, dass ich an diesem Tag endlich den Mut finden würde, es zu beenden.
    Aber ich tat es nicht. Denn als sie von ihrem Bruder erzählte und ich ihr Gesicht dabei sah, war der Drang dazu mit einem Mal verschwunden. Ich fühlte mich wie ein Ballon, der größer und größer wurde und nur noch darauf wartete zu platzen, aber dann war sie gekommen und zuerst geplatzt. Und irgendwie hatte das die Luft aus uns beiden gelassen.
    Ich hatte das Gefühl, dass jeder in diesem Haus einen Grund hatte, alles hinzuschmeißen – nur war ich der Einzige, der es auch versuchte. Ich war so müde.
    »Ich hätte gar nicht gedacht, dass du wirklich ein Mensch bist«, sagte ich. »Also, mit richtigen Gefühlen und so.«
    »Tja, leider doch.«
    Ich starrte an die Decke. Ich wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte.
    Sie sagte: »Weißt du übrigens, was ich nicht mehr will? Dich nackt hier rumliegen sehen.« Ich sah zu ihr hoch und sie fügte hinzu: »Ist ja fast, als würdest du nie Klamotten tragen. Jedes Mal wenn ich dich sehe, bist du nackt. Meinst du, du bleibst jetzt erst mal ein Mensch?«
    Ich nickte. Es klang laut in meinen Ohren, als mein Kopf über den Fußboden schabte.
    »Gut, dann kannst du wenigstens nichts Peinliches veranstalten, wenn wir jetzt ein bisschen rausgehen. Zieh dir was an, wir gehen Kaffee trinken.«
    Ich warf ihr einen Blick zu, der besagte: Oh ja, das hilft bestimmt. Sie lächelte ihr dünnes, grausames Lächeln und erwiderte: »Wenn du nach dem Koffeinschub immer noch meinst, du müsstest dich umbringen, ist der Tag ja noch lang genug.«
    Stöhnend stand ich auf. Die Perspektive aus dem Stand, von wo aus ich den Flur und das Wohnzimmer, das ich verwüstet hatte, überblicken konnte, überforderte mich zuerst. Ich hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt noch einmal stehen würde. Nach den vielen Verwandlungen in so kurzer Zeit tat mir tierisch die Wirbelsäule weh. »Das muss dann aber verdammt guter Kaffee sein.«
    »Na ja, ist nichts Großartiges«, gab Isabel zu. Jetzt, wo ich stand, hatte ihr Gesicht einen seltsamen Ausdruck. Erleichterung? »Aber dafür, dass wir hier mitten im Nirgendwo sind, ist er definitiv besser, als man erwarten würde. Zieh dir was Bequemes an. Bis zu meinem Auto sind es drei Meilen.«

KAPITEL 33
SAM
    Von außen sah das Studio ziemlich nichtssagend aus. Es war ein gedrungener, schäbiger Bungalow mit einem gedrungenen, schäbigen blauen Minivan in der Einfahrt. Neben dem Van lag ein Labrador und machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu bewegen, also parkte Grace an der Straße. Mit einem skeptischen Blick auf den steil abfallenden Hang riss sie die Handbremse so weit hoch wie möglich.
    »Ist der Hund da tot?«, fragte sie und dann: »Meinst du, wir sind hier wirklich richtig?«
    Ich deutete auf die Aufkleber auf der Heckklappe des Minivans, alle von angesagten Indiebands aus Duluth: Finding the Monkey, The Wentz, Alien LifeForms. Ich hatte noch keine davon gehört – sie waren zu unbekannt, um im Radio gespielt zu werden –, aber man sah ihre Namen oft genug in lokalen Ankündigungen, daher kannte ich sie. »Doch, ich glaub schon.«
    »Wenn uns irgendwelche durchgeknallten Hippies kidnappen, ist das deine Schuld«, sagte sie und stieß die Tür auf. Ein Schwall kalter Morgenluft strömte ins Auto; es roch nach Stadt: Abgase, Asphalt, der undefinierbare Geruch vieler Menschen, die in vielen Gebäuden lebten.
    »Du hast das Studio doch ausgesucht.«
    Grace streckte mir die Zunge raus und stieg aus. Einen Augenblick schien sie etwas unsicher auf den Beinen, fing sich aber schnell wieder in der Hoffnung, dass es mir nicht aufgefallen war.
    »Alles okay bei dir?«, erkundigte ich mich.
    »Okayer geht’s gar nicht«, entgegnete sie und öffnete den Kofferraum.
    Als ich hineingriff, um meinen Gitarrenkoffer herauszunehmen, versetzte mir die Nervosität einen Hieb in den Magen. Es war weniger ihre Anwesenheit, die mich überraschte, sondern die Tatsache, dass sie sich so viel Zeit gelassen hatte, bis sie auftauchte. Ich umklammerte den Griff des Gitarrenkoffers und hoffte, dass ich nicht plötzlich alle Akkorde vergessen würde.
    Wir gingen zur Tür. Der Hund hob nicht mal den Kopf.
    »Also, ich glaube, der ist tot«, sagte Grace.
    »Ich glaube, das ist eins von diesen

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