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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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die Lehne der Sitzbank und rief: »Ich liebe dich trotzdem, Cole«, dann duckte sie sich schnell wieder. Die anderen beiden quietschten.
    »Cole?«, wiederholte Isabel.
    Cole. Ich war wieder genau da, wo ich angefangen hatte. Cole St. Clair.
    Und als wir gingen, machten die Mädchen trotzdem Fotos mit ihren Handys.
    Der. Anfang. Vom. Ende.

KAPITEL 35
SAM
    Noch nie hatte ich so hart an meiner Musik gearbeitet wie in den ersten zwei Stunden im Studio: Als Dmitra einmal entschieden hatte, dass ich kein Möchtegern-Elliot-Smith war, schaltete sie ein paar Gänge höher. Wir gingen die Strophen einmal, zweimal, dreimal durch, probierten verschiedene Arrangements aus, unterlegten mein Zupfen mit einer zusätzlichen Gitarrenbegleitung oder fügten Percussioneffekte hinzu. Bei manchen Songs sang ich Harmonien, mit der wir meine eigentliche Stimme unterlegten, manchmal sogar mehrere, bis ich mein ganz eigenes Sam-Rudel war, das in all seiner polyfonen Pracht drauflossang.
    Es war fantastisch, surreal, erschöpfend. Langsam machte sich bemerkbar, wie wenig Schlaf ich in der Nacht zuvor bekommen hatte.
    »Warum machst du nicht ein kleines Päuschen?«, schlug Dmitra nach ein paar Stunden vor. »Ich überarbeite noch mal, was wir bisher gemacht haben, und du kannst mal aufstehen, pinkeln gehen, dir ’nen Kaffee holen. Deine Stimme klingt langsam ein bisschen matt und deine Freundin sieht aus, als würde sie dich vermissen.«
    Durch den Kopfhörer hörte ich, wie Grace protestierte: »Ich hab doch bloß hier gesessen!«
    Ich grinste und nahm den Kopfhörer ab. Ich ließ ihn bei meiner Gitarre liegen und ging zurück in den Vorraum. Grace, die genauso erschöpft aussah, wie ich mich fühlte, lümmelte auf dem Sofa, den Hund zu ihren Füßen. Ich stellte mich neben sie, während Dmitra mir vorführte, wie meine Stimme auf dem Computerbildschirm aussah. Grace umschlang meine Hüfte mit den Armen und schmiegte eine Wange an mein Bein. »Du hörst dich unglaublich an hier draußen.«
    Dmitra klickte auf einen Button und meine Stimme, verdichtet, verschönert und mit Harmonien unterlegt, ertönte aus den Lautsprechern. Es klang – überhaupt nicht wie ich. Oder doch wie ich. Wie ich im Radio. Ich von außerhalb meines Körpers. Ich schob meine Hände unter die Achseln und lauschte. Wenn es wirklich so einfach war, jemanden wie einen richtigen Sänger klingen zu lassen, dann hätten die Leute doch vor dem Studio Schlange stehen müssen.
    »Es ist fantastisch«, sagte ich zu ihr. »Was auch immer du damit veranstaltet hast. Es klingt fantastisch.«
    Dmitra drehte sich nicht um, sondern bewegte nur weiter die Maus und klickte. »Das bist alles du, Süßer. Ich hab noch gar nicht viel dran gemacht.«
    Ich glaubte ihr nicht. »Ja. Klar. Sag mal, wo ist denn hier die Toilette?«
    Grace deutete mit dem Kinn den Gang hinunter. »Hinter der Küche links.«
    Ich strich ihr über den Kopf und zwickte sie ins Ohr, bis sie mich losließ, dann machte ich mich auf durch das Flurlabyrinth, an der kleinen Küche vorbei. Auf dem Gang, gesäumt von signierten und gerahmten Albumcovern, roch es nach Zigarettenrauch. Auf dem Weg zurück von der Toilette ließ ich mir Zeit und besah mir die Alben und Unterschriften etwas genauer. Karyn mochte glauben, dass man durch die Bücher, die ein Mensch las, alles über ihn erfahren konnte. Ich aber wusste, dass die Musik, die jemand hörte, noch viel mehr über ihn aussagte. Der Wand nach zu urteilen, ging Dmitras Geschmack eher in Richtung Elektro und Dance. Sie hatte eine ziemlich umfangreiche Sammlung, die mich beeindruckte, auch wenn die Bands nicht ganz so mein Ding waren. Ich machte mir im Geist eine Notiz, einen Witz über die beachtliche Anzahl an schwedischen Albumcovern zu machen, wenn ich zurück ins Studio kam.
    Manchmal sehen die Augen etwas, was dem Gehirn verborgen bleibt. Du schlägst eine Zeitung auf und in deinem Kopf ist plötzlich ein Satz, den du noch gar nicht bewusst gelesen hast. Du kommst in einen Raum und merkst sofort, dass irgendetwas anders ist, ohne dich umgesehen zu haben.
    Genau so etwas passierte gerade. Ich sah Coles Gesicht oder irgendwas, was mich daran erinnerte, aber ich wusste nicht, wo es hergekommen war. Ich drehte mich wieder zur Wand und ließ den Blick noch einmal über die Albumcover schweifen. Langsamer diesmal. Ich suchte auf den Bildern, in den Titeln und Namen der Künstler nach dem, was diesen Gedanken in mir ausgelöst hatte.
    Und dann sah ich es. Größer als

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