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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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zurücktaumelte und in Tränen ausbrach. Zuerst sagte keiner ein Wort. Dann meinte Yeamon, sie solle hineingehen. »Los«, zischte er. »Ab ins Bett.«
    Sie hörte auf zu weinen und nahm die Hand von der Wange. »Scheißkerl«, schluchzte sie.
    »Rein mit dir«, sagte er.
    Sie sah ihn noch einmal wütend an, drehte sich dann um und ging ins Haus. Wir konnten hören, wie die Federn quietschten, als sie auf das Bett fiel. Dann fing sie wieder zu schluchzen an.
    Yeamon stand auf. »Tut mir leid«, sagte er ruhig, »daß euch das nicht erspart geblieben ist.« Er nickte nachdenklich und starrte auf das Haus. »Ich glaube, ich komme mit euch in die Stadt – ist was los heute Abend?«
    Sala zuckte die Achseln. Ich merkte, daß er ziemlich schockiert war. »Nein«, sagte er. »Ich will sowieso nur was essen.«
    Yeamon ging auf die Tür zu. »Wartet kurz«, sagte er. »Ich zieh mir schnell was an.«
    Nachdem er hineingegangen war, schaute mich Sala an und schüttelte traurig den Kopf. »Er behandelt sie wie eine Sklavin«, flüsterte er. »Sie wird bald durchdrehen.«
    Ich schaute aufs Meer hinaus, wo gerade die Sonne unterging.
    Wir hörten, wie er drinnen herumlief, aber geredet wurde kein Wort. Als er herauskam, trug er seinen hellbraunen Anzug und eine Krawatte, die locker um seinen Hals gewickelt war. Er zog die Tür zu und sperrte sie von außen ab. »Hält sie davon ab, herumzustreunen«, sagte er.
»Wahrscheinlich wird sie sowieso bald einen Nervenzusammenbruch kriegen.«
    Auf einmal drang lautes Schluchzen aus dem Haus. Yeamon zuckte mit hoffnungsloser Miene die Achseln und warf sein Jackett in Salas Wagen. »Ich fahr mit dem Scooter«, sagte er, »dann muß ich nicht in der Stadt bleiben.«
    Wir fuhren rückwärts auf die Straße und ließen ihn voranfahren. Sein Scooter sah aus wie eines der Dinger, die im Zweiten Weltkrieg hinter den feindlichen Linien per Fallschirm abgeworfen wurden. Es war ein skelettartiges Fahrgestell, das einmal rot lackiert gewesen und jetzt vom Rost zerfressen war. Unter dem Sitz befand sich ein kleiner Motor, der Geräusche von sich gab wie eine Gatling-Knarre. Der Auspuff war kaputt, und die Reifen waren abgefahren.
    Wir folgten ihm die Straße hinunter und hätten ihn einige Male beinahe erwischt, als er auf dem Sand herumrutschte. Er gab ein hohes Tempo vor, und wir hatten Mühe, dranzubleiben, ohne daß es den Wagen in Stücke riß. Als wir an den Hütten der Eingeborenen vorbei fuhren, rannten kleine Kinder zur Straße und winkten uns zu. Yeamon winkte breit grinsend zurück und erhob seinen Arm zum Gruß, brauste weiter und ließ eine Staubwolke und ein Dröhnen zurück.
    Als wir die asphaltierte Straße erreicht hatten, hielten wir an. Yeamon schlug ein Lokal vor, das ungefähr nach einer Meile kommen würde. »Ganz gutes Essen und billige Getränke«, sagte er. »Außerdem muß ich nicht gleich bezahlen.«
    Wir folgten ihm weiter, bis wir ein Schild sahen, auf dem stand: CASA CABRONES. Ein Pfeil zeigte auf eine unbefestigte Straße, die über ein Palmenwäldchen zum
Strand führte. Sie endete an einem kleinen Parkplatz, direkt neben einem verlotterten Restaurant mit Tischen im Patio und einer Jukebox neben der Bar. Abgesehen von den Palmen und den puertoricanischen Gästen erinnerte mich das Ganze an eine drittklassige Kneipe im amerikanischen Mittelwesten. Blaue Glühbirnen hingen an einer Schnur, die über den Patio gespannt war, und etwa alle dreißig Sekunden wurde der Himmel von einem gelblichen Lichtstrahl halbiert, der vom Tower des Flughafens kam, höchstens eine Meile entfernt.
    Als wir uns setzten und Drinks bestellten, fiel mir zum ersten Mal auf, daß wir die einzigen Gringos hier waren. Sonst nur Einheimische. Sie machten einen Höllenlärm, sangen und schrien, von der Jukebox angefeuert, aber alle wirkten sie müde und niedergeschlagen. Es war nicht der traurige Rhythmus mexikanischer Musik, sondern die schreiende Leere eines Klangs, den ich außerhalb von Puerto Rico nie mehr gehört habe – eine Mischung aus Heulen und Stöhnen, begleitet von trostlosem Hämmern und tief verzweifelten Stimmen.
    Es war schrecklich traurig – weniger die Musik als die Tatsache, daß sie es einfach nicht besser drauf hatten. Die meisten Stücke waren Coverversionen amerikanischer Rock’n’Roll-Nummern, denen jede Energie abhanden gekommen war. In einem der Stücke erkannte ich »Maybellene«. Das Original war in meiner Highschool-Zeit ein Hit gewesen. Ich hatte es als eine

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