Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
fühlte sich gut an, einen Vorrat an Rum zu haben, der niemals ausgehen würde, aber nach einer Weile hielt ich es auf den Parties nicht länger als ein paar Minuten aus, und ich mußte das Spiel aufgeben.
7
AN EINEM SAMSTAG Ende März, als die Touristensaison allmählich zu Ende ging und die Händler sich auf einen schwülen Sommer mit geringen Einnahmen gefaßt machten, hatte Sala den Auftrag, hinunter nach Fajardo an die östliche Spitze der Insel zu fahren. Er sollte dort ein paar Photos von einem neuen Hotel machen, das sich über einen Berg erstreckte, mit Blick auf den Hafen. Lotterman dachte, die NEWS könne einen heiteren Ton anschlagen, wenn sie aufzeigte, daß in der nächsten Saison alles besser würde.
Ich beschloß mitzufahren. Seit ich nach San Juan gekommen war, hatte ich mich auf der Insel umschauen wollen, doch ohne Wagen war das unmöglich. Bisher war ich nicht weiter als zum Strandhaus von Yeamon vorgedrungen; Fajardo lag in der selben Richtung, doppelt so weit draußen. Wir planten, Rum zu besorgen und auf dem Rückweg bei ihm vorbeizuschauen – in der Hoffnung, er würde rechtzeitig mit einem überquellenden Sack voller Hummer von seinem Riff zurückpaddeln. »Wahrscheinlich kann er das inzwischen verdammt gut«, sagte ich. »Weiß der Himmel, wovon er lebt. Die beiden werden wohl eine strikte Diät halten – Hühnchen und Hummer.«
»Teufel auch«, sagte Sala. »Hühnchen ist teuer.«
Ich lachte. »Nicht da draußen. Er jagt sie mit einer Harpune.«
»Großer Gott!« rief Sala. »Das ist doch Vodoo-Gebiet – sie werden ihn umbringen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!«
Ich zuckte die Schultern. Von Anfang an war ich davon ausgegangen, daß Yeamon früher oder später umgebracht werden würde. Ob von einer Einzelperson oder vom gesichtslosen Mob, ob aus diesem oder jenem Grund – es schien unvermeidlich zu sein. Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich so gewesen war wie er. Ich wollte alles und wollte es schnell. Kein Hindernis war groß genug, um mich davon abzuhalten. Doch seitdem hatte ich gelernt, daß einige Dinge größer waren, als sie von der Ferne aussahen. Und jetzt war ich mir nicht mehr so sicher, was ich dabei gewinnen würde, und war mir nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt verdiente. Ich war nicht stolz auf das, was ich gelernt hatte, aber ich hatte keinen Zweifel, daß es sich zu wissen lohnte. Entweder Yeamon würde diese Erfahrung auch machen, oder es würde ihm irgendwann an den Kragen gehen.
Solche Dinge sagte ich mir an den heißen Nachmittagen in San Juan. Ich war dreißig Jahre alt, und das Hemd klebte mir am Rücken. Auf diesem großen einsamen Berg konnte ich mich gut spüren. Meine Jahre als unerschrockener Mann lagen hinter mir, und der Rest mußte eine Talfahrt steil nach unten sein. Es waren unheimliche Tage, und meine fatalistische Einschätzung Yeamon gegenüber war weniger Überzeugung als Notwendigkeit. Wenn ich ihm nur ein wenig Optimismus zugestanden hätte, hätte ich mir viele traurige Dinge über mich selbst vor Augen führen müssen.
Nach einer einstündigen Fahrt unter brennender Sonne kamen wir nach Fajardo. Wir hielten an der ersten Bar.
Dann fuhren wir außerhalb der Stadt einen Berg hoch, auf dem Sala fast eine Stunde lang herumlief, um die richtigen Kameraeinstellungen für seine Bilder zu finden. Er war ein erbitterter Perfektionist, ganz gleich, wie sehr er seinen Auftrag verabscheute. Als »einziger Profi auf der Insel« hatte er einen gewissen Ruf zu verteidigen.
Nachdem er seine Aufnahmen gemacht hatte, kauften wir zwei Flaschen Rum und einen Beutel Eis und fuhren zu der Abzweigung zurück, von der es zu Yeamons Strandhaus ging. Die gesamte Strecke war bis zum Fluß bei Loíza asphaltiert. Dort hatten zwei Eingeborene einen kleinen Fährbetrieb. Sie nahmen einen Dollar für den Wagen und schoben die Fähre mit langen Pfählen auf die andere Seite herüber. Keiner von den beiden sagte ein Wort. Ich kam mir vor wie ein Pilger, der den Ganges überquert, so wie ich neben dem Wagen in der Sonne stand und auf das Wasser starrte, während sich die jungen Fährmänner gegen ihre Pfähle stemmten und uns zum Palmenhain auf der anderen Seite schoben. Wir schlugen gegen das Dock, und sie befestigten den Lastkahn an einem stehenden Holzblock, während Sala den Wagen auf sicheren Boden fuhr.
Es lagen noch immer fünf Meilen Sandpiste vor uns, bis wir bei Yeamon waren. Sala fluchte den ganzen Weg über und schwor, nur
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