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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Wieder taten mir meine Hände weh, aber diesmal hielt ich sie fest. Es fühlte sich gut an, einen langen Ball aufzunehmen, auch wenn es nur eine Kokosnuß war. Meine Hände wurden rot und brannten, aber das machte mir nichts aus. Es war ein gutes reines Gefühl.
    Wir schlugen Kurzpässe über die Mittellinie und lange Pässe an den Seitenlinien entlang. Nach einer Weile kam ich mir vor wie mitten in einem heiligen Ritual. Es war wie die Beschwörung jener Samstage, als wir noch jung waren: jetzt, weit weg von zu Hause, verloren und abgeschnitten von den alten Spielen und den Stadien mit den Betrunkenen, jenseits des Lärms und blind gegenüber dem wahren Charakter dieses glücksbringenden Spektakels. Nachdem ich mich über Football und alles, was damit zu tun hat, jahrelang lustig gemacht hatte, war ich jetzt an einem leeren Strand in der Karibik gelandet und rannte wie ein
Verrückter mit dem Eifer eines gewöhnlichen Sandplatz-Fanatikers dem Ball hinterher.
    Als wir hin und her flitzten und dabei immer wieder hinfielen und in die Brandung tauchten, erinnerte ich mich wieder an die Samstage in Vanderbilt. Im gegnerischen Team der Georgia Tech gab es damals einen schmalen Kerl im goldenen Trikot, der im Rückraum spielte. Durch die unglaubliche Präzision, mit der er den Ball schlug, drängte er unser Team immer weiter zurück. Er raste blitzschnell durch eine Lücke in der Verteidigung, die es gar nicht hätte geben dürfen, und dann war er plötzlich ganz allein auf dem knackigen Rasen – genau dort, wo eigentlich die zweite Verteidigung von Vanderbilt hätte stehen müssen. Es gab wildes Geschrei von der Gegentribüne. Der Dreckskerl wurde zu Fall gebracht. Dann bekam unser Team den Ball, doch die Abwehrspieler der anderen schossen auf unseren Angreifer zu wie Kanonenschläge. Auf beiden Seiten bildete sich wieder die Formation, und man mußte sich den starken Kerlen der anderen stellen. Es war quälend, aber auch schön; man sah Männer, die niemals wieder so gut funktionierten. Hauptsächlich waren es perfekt durchtrainierte Fleischberge, Schläger und Idioten  – aber sie beherrschten diese Spielzüge und die komplizierten Aufstellungen, und in manchen Momenten waren sie echte Künstler.
    Schließlich war ich zu müde, um weiter herumzulaufen, und wir gingen zurück in den Patio, wo sich Sala und Chenault noch immer unterhielten. Sie schienen beide ein wenig betrunken zu sein, und nachdem wir uns ein paar Minuten unterhalten hatten, stellte ich fest, daß Chenault ziemlich neben sich war. Sie hörte nicht auf, vor sich hinzukichern und Yeamons Südstaatenakzent zu imitieren.
    Wir tranken vielleicht noch eine Stunde weiter, lachten gutmütig über Chenault und betrachteten die Sonne, die sich Richtung Jamaica und Golf von Mexiko senkte. In Mexiko City ist es noch hell, dachte ich. Ich war dort nie gewesen, und auf einmal überfiel mich eine unglaubliche Neugier. Nach einigen Stunden Rum und bestärkt von meiner wachsenden Abneigung gegenüber Puerto Rico war ich kurz davor, zurück in die Stadt zu fahren, meine Kleider zu packen und in das erstbeste Flugzeug Richtung Westen zu steigen. Warum nicht? dachte ich. Ich hatte den Scheck für diese Woche noch nicht eingelöst; dazu ein paar Hunderter auf der Bank, und nichts, was mich beschwerte. Also – warum nicht? Es würde ganz bestimmt ein besserer Ort sein als hier, wo meine einzige Sicherheit ein mieser Job war, der jederzeit futsch sein konnte.
    Ich wandte mich an Sala. »Wieviel kostet es nach Mexiko City?«
    Er zuckte die Achseln und nippte an seinem Drink. »Zu teuer«, antwortete er. »Warum? Willst du weiter?«
    Ich nickte. »Ich denke darüber nach.«
    Chenault sah mich an, zur Abwechslung mit ernster Miene. »Du wirst Mexiko City lieben, Paul.«
    »Woher zum Teufel willst du das wissen?« schimpfte Yeamon.
    Sie starrte ihn zornig an, dann nahm sie einen großen Schluck.
    »Nur weiter so«, sagte er. »Immer schön nuckeln – du bist noch nicht blau genug.«
    »Halt dein Maul!« schrie sie plötzlich und sprang auf. »Laß mich in Ruhe, du verrückter gottverdammter Wichtigtuer!«
    Er ließ seinen Arm so blitzartig hervorschnellen, daß ich kaum seiner Bewegung folgen konnte. Als die Rückseite
seiner Hand auf ihre Wange traf, klatschte es laut. Es wirkte beinahe wie eine beiläufige Geste, ohne Mühe und Wut, und als ich realisierte, was passiert war, saß er wieder zurückgelehnt auf seinem Stuhl und schaute zu, wie sie einige Schritte

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